Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
danach sah der Leutnant in der grünen Uniform den Terraner an. Der rätselhafte Ausdruck, der ganz kurz das scharfe Gesichtsprofil überdeutlich betonte, ging mit einem ganz kurzen Stocken der Stimme einher.
Der Unteroffizier übersetzte, nachdem Rosil seine Rede abgeschlossen hatte.
„Monsieur, die Untersuchungen sind abgeschlossen. Mit Hinblick auf die beträchtliche Entfernung zum befriedeten Kerngebiet des Sternenreiches hat Vice Admiral Naples nach Konsultation seines Stellvertreters die Entscheidung getroffen, dass Sie und die anderen nicht dorthin überführt werden. Nicht der logistische Aufwand ist dafür maßgeblich, sondern ausschließlich die von der Terranischen Navy in Grenne verübten Verstöße gegen die Genfer Konvention. Der Oberbefehlshaber dieser Allianzflotte hat in Übereinstimmung mit seinem Stellvertreter entschieden, dass sämtliche in diesem System befindlichen terranischen Offiziere wegen der in Grenne verübten und befohlenen Verbrechen am morgigen Tag um sechs Uhr früh hingerichtet werden. Sie sind bereits für schuldig befunden worden und werden deshalb nicht für einen etwaigen Prozess nach Sirius oder Alpha Centauri überführt. Sie sind keine Kriegsgefangenen mehr, sondern verurteilte Mörder.“
Das war also der Ausweg, den Ginnes Rosil ihm bot. Ihm allein, denn natürlich wusste der Leutnant aus Sirius, dass Belian weder als Offizier auf Terra vereidigt noch in Grenne dabei gewesen war. Der Wechsel von der ersten in die distanzierte dritte Person Plural machte sehr deutlich, wie ausgenommen Belian von der Anklage war. Rosil wollte ihn wirklich retten, aber vor etwas weitaus Schlimmerem als den Verhören.
Das Schluchzen des nicht allzu laut vor sich hinweinenden Julien Niven erfüllte den totenstillen Raum.
Der kurze Blick hinter die Fassade hatte gerade Rosils neuerlichen Wunsch verraten, jetzt nicht hier zu sein. Und doch war er gekommen, aber das Angebot war keineswegs anständig.
Belian, der sich wie geschlagen fühlte, sammelte schließlich genug Luft für seinen Protest: „Das ist reine Propaganda! Vice Admiral Naples und Ihr Vorgesetzter wissen ganz genau, dass es Sirius und Alpha Centauri waren, von denen der Angriff in Grenne ausging, Monsieur! Wollen Sie ernsthaft Männer des Mordes beschuldigen, die sich nur verteidigt haben?“
Die Schärfe der Ausdrucksweise ging in der Übersetzung verloren, aber die entschlossene Haltung des jungen Gefangenen und der Ton kamen natürlich an.
Rosil schob das Kinn vor, und seine Augen blitzten.
Wieder wurde der als Mittel zur Verständigung dienende Unteroffizier der Botschaft nur unzureichend gerecht, obwohl der Dolmetscher über den Affront gleichfalls wütend war.
„Auch in Propaganda steckt manchmal Wahrheit!“
Belian lachte verächtlich auf, während die Furcht in ihm dennoch immer weiter wuchs. Alpha Centauri und Sirius würden so etwas doch nicht ernsthaft tun, oder?
„Niemals! Nicht in diesen abstrusen Behauptungen! Nicht die Terraner sind hier die Mörder!“
Der eiskalte Blick des Feindes, der plötzlich nichts Freundliches mehr an sich hatte, ließ ihm für einen Moment das Blut in den Adern stocken. Sie würden es doch tun. Sirius würde es gleichfalls anordnen und ausführen. Sogar ein vermeintlich netter Leutnant Ginnes Rosil.
„Der Krieg ist schmutzig, Monsieur. Vielleicht werden Sie das auch irgendwann begreifen. Wenn Sie hingegen weiterhin behaupten, etwas zu sein, das Sie nicht sind, werden Sie nicht lange genug leben, um Ihre Naivität abzulegen. Commander Abraham, Leutnant Maitland und Leutnant Heathen haben gestanden.“
„Ja. Und Julien haben Ihre Landsleute auch mit einem klatschnassen Handtuch über dem Kopf dazu gebracht, alles zu sagen, was Sie hören wollten! Die anderen haben zweifellos nur am längsten Widerstand geleistet! Meinen Sie, bei uns hätte es nie Schauprozesse gegeben? Mein ehemaliger Vormund ist genauso ein verlogener Mensch wie Vice Admiral Naples!“
In manchen Belangen war die Monarchie Nouvelle Espérance wirklich eine Diktatur, aber noch lange nicht in allen! Belian war in diesem System aufgewachsen und wusste, was Ehre war. Er spuckte deshalb auf den Boden, wie es die Folterknechte immer machten, um ihn zu beleidigen. Seine sorgsam geschliffenen Manieren konnten ihm gerade gestohlen bleiben. Sofort darauf fuhr er trotz seiner mittlerweile riesengroßen Angst wohlkalkuliert fort:
„Ich sterbe lieber, als dass ich der Scheiß-Navy von ACI beitrete und so jemand werde
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