Die neue Lustschule
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1. Sehnsuchtssex
Sexualität eignet sich hervorragend, um frühe ungestillte Bedürfnisse nach Annahme, Zuwendung und Bestätigung zu transportieren. Sexuelle Kontakte ermöglichen Körperkontakt und fordern wenigstens ein Minimum an Zuwendung. Selbst in einer ansonsten hasserfüllten Beziehung können die «Waffen» für einen Augenblick schweigen; in einer gefühlsleeren Beziehung kann das Interesse aneinander kurz wieder aufflammen und im Sex sich die Illusion von Erregung, Zuwendung und Interesse einstellen. Sexualität ist dann der letzte Rest an mitmenschlicher Bezogenheit, sie bietet die Brosamen verweigerter Liebe.
So wird auch der süchtige Gebrauch von Sex verständlich: nämlich dann, wenn alles, was in der frühen Entwicklung an Liebe, Zuwendung und Bestätigung gefehlt hat, später in der Sexualität gesucht wird und damit ausgeglichen werden soll. In diesem Fall entbehrt die sexuelle Praxis oftmals der erotischen Raffinesse und der geilen Erregung. Der sexuelle Akt wird lediglich dazu benutzt, zusammenzukommen, berührt und zärtlich behandelt zu werden, um sich gebraucht zu erleben, wichtig zu sein und Anerkennung zu finden. In Partnerschaften führt das unerkannte Sehnsuchtsanliegen in der Regel in den Konflikt: Er will Sex und sie zärtlichen Kontakt, oder sie sucht über Sex Entspannung und er will umsorgt sein und gepflegt werden. Wird Sexualität dazu benutzt, zu klammern, ein unendliches Vor- oder Nachspiel zu zelebrieren, besondere Zuneigung und Dankbarkeit zu erwarten, weist das in der Regel auf eine Frühbedürftigkeit hin, die via Sexualität transportiert wird. Männer glauben häufig, wenn ihre Partnerin sich zärtlich nähert, dass sie Sexwill – und so nimmt das Missverständnis seinen verhängnisvollen Lauf. Sie wirft ihm empört vor: Du willst immer nur das eine, und er verliert das sexuelle Interesse an ihr.
Aber auch eine andere Rollenverteilung ist gut möglich. Er kriecht förmlich in sie, ohne Aktivitätsinteresse, er will verweilen, sich geborgen und aufgehoben fühlen, im Grunde zurück in den Uterus, aus dem er einst so ungnädig geworfen worden und dann unterversorgt geblieben ist. Kein Wunder, dass ihm dann auch gar nicht so selten die «Kraft» und Entschlossenheit zur Erektion und Penetration fehlen. Ihr kann dieses Verhalten eigentlich nicht gefallen, und oft genug klagt sie darüber, in ihrem Partner praktisch noch ein Kind zu haben, das sie mitversorgen soll. Ihre sexuellen Bedürfnisse bleiben unerfüllt und ihre Phantasien wandern ab – und mitunter auch der ganze Körper, der im «Seitensprung» Erregung und Entspannung findet.
In einer guten Beziehung können Sehnsucht und Geilheit durchaus zusammenfinden. Am Anfang Streicheln, Kuscheln, der Austausch von zärtlichen Gesten, ein liebevoll zugewandtes genitales Ineinanderverweilen – so findet die Sehnsucht etwas Erfüllung und kann anschließend in den sexuell orientierten Ziellauf münden und mit dem Orgasmus einen befriedigenden Abschluss finden. Vielleicht steht der Orgasmus auch in dem Dienst, die nie endgültig abzuschließende frühe Bedürftigkeit zu «erden» und so wenigstens vorübergehend Beruhigung zu schaffen und «Frieden» zu ermöglichen.
Der «Blümchensex» aus früher Bedürftigkeit verlangt Zuwendung, Annahme, Zärtlichkeit und Bestätigung. Via Sex werden Berührung, Körperkontakt und zugewandte Gesten möglich, die Sehnsucht entfachen und Verliebtheit auslösen. Der erlebte «Siebente Himmel» birgt allerdings «Unwetter»-Gefahren. Indem man sich aus ungestillter früher Bedürftigkeit– verstärkt, wenn sexueller Triebdruck vorliegt – den Verliebtheitspartner unrealistisch «schön» sieht, drohen übertragungsverursachte Reinszenierungen der frühen Defizite und Verletzungen. Am häufig eher schnellen Ende der Verliebtheitstrance erlebt man enttäuscht und erschrocken einen Zustand von Verrat und Verlassenheit, von Unverständnis, Kränkung und Abwertung. Der Rausch der Verliebtheit endet mit der Katerstimmung der Ernüchterung. Die belastenden Erfahrungen aus frühen Mütterlichkeits- und Väterlichkeitsstörungen haben sich wiederholt – nur ist jetzt der Partner der Undankbare, Gemeine, Böse, während die frühe Täterschaft der Eltern weiterhin verborgen bleibt. Auf diese Weise können sich Verliebtheiten mit immer wieder dem gleichen enttäuschenden Ausgang wiederholen, und der Mechanismus der Übertragung und Wiederholung, den ich in «Die Liebesfalle»
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