Die neue Lustschule
intrapsychische und interpersonelle Basis für «Demokratie»: Die eigenen Möglichkeiten werden verantwortlich genutzt, die gegebenen Begrenzungen und Andersartigkeiten respektiert, das Zusammenleben wird diskutiert und verhandelt, das gemeinsame Ziel ist lustvolle Entspannung, die vor Fanatismus, übertriebenem Leistungsstreben oder Konkurrenzdenken und süchtigem Konsumbedarf nachhaltig schützt.
Dass Menschen nicht zur lustvollen Entspannung kommen können und eine friedfertige, liebevolle Beziehung verhindern müssen, ist die belastendste Erfahrung meiner psychotherapeutischen Tätigkeit. Deshalb hat die Frühbetreuung von Kindern, die Qualität ihrer ersten Beziehungserfahrungen in der Präsenz und Empathie der Eltern und deren Bereitschaft und Fähigkeit zur Bestätigung, Befriedigung und angemessenen Begrenzung eine so immense Bedeutung. Denn die Lustfähigkeit wird vor allem durch aufgestaute Gefühle früher Verletzungen und erlittener Defizite behindert,und die Beziehungsliebe basiert im Wesentlichen auf guter Selbstliebe bei ausreichend vermitteltem Selbstwert.
Im Beziehungssex kommen körperliche Selbstliebe und partnerschaftliche Fremdliebe zusammen. Letztlich geht es also um Behinderungen der Liebe, die Beziehungssex erschweren oder unmöglich werden lassen. Damit werden auch die möglichen Hilfen verständlich: Die Selbstliebe ist körpergebunden, so dass vor allem die verkörperten Gefühle (die Lustblockaden) aufgefunden und nach den gegebenen Möglichkeiten auch aufgelöst werden sollten. Bemühungen darum lohnen sich immer, auch wenn manche Blockade zum Schutz vor tiefster Bedrohung und Not nicht aufgegeben werden kann. Deshalb ist Prävention wichtiger und hilfreicher als Therapie. Und Fremdliebe ist beziehungsgebunden, so dass vor allem Übertragungen der Sehnsüchte, die die Eltern nicht erfüllt haben, von Partnern zurückgenommen werden müssen und die Projektionen der Verletzungen, die von Eltern verursacht wurden, nicht mehr den Partnern angelastet werden.
Die Qualität und Intensität von Körperlust und Beziehungslust sind abhängig von den entwicklungspsychologischen Bedingungen, die die Persönlichkeit und damit den Körper nachhaltig geprägt haben, was auch nicht durch den schönsten Partner oder das geilste Event wesentlich verbessert werden könnte.
Guter Sex erhält die Beziehung –
schlechte Beziehung zerstört die sexuelle Lust
Wenn Sex und Liebe zusammenfinden, darf man sich wirklich glücklich schätzen. Aber das ist selten, jedenfalls nicht selbstverständlich. In aller Regel bedarf das Junktim ständigerPflege: Beziehungsarbeit und Sexkultur. Das ist etwas grundsätzlich anderes als Verliebtheit, verbunden mit sehnsüchtigem Sex. Im letzteren Fall will man verschmelzen, aufgehoben sein, sich bestätigt und bejaht fühlen und verwechselt aus diesem Grunde körperliche Zärtlichkeit und genitale Vereinigung mit endlich erfolgter narzisstischer Gratifikation. Deshalb kann das Stadium der Verliebtheit nicht lange anhalten. Das Trennungserleben nimmt dann oft sehr dramatische bis suizidale Formen an: «Ohne dich will und kann ich nicht weiterleben!» Bedenkt man, wie viele Möglichkeiten für eine liebevolle Beziehung und guten Sex es für jeden Menschen gibt, weist ein solch eingeengtes Erleben nahezu unmittelbar auf die in ihm verborgene Muttersehnsucht hin. Denn nur sie ist die Einzige auf der Welt, ohne die man nicht gut oder gar nicht leben kann.
Auch der triebhafte Sex aus aufgestautem sexuellen Bedürfnis, mit dem man sich jedes potenzielle «Lustobjekt» schönsieht und zu lieben glaubt, ist vom angesprochenen Ideal weit entfernt.
Doch selbst in der Ehe fallen Liebe und Sex häufig auseinander – entweder gute «kameradschaftliche» Beziehung und der Sex lahmt oder Sexorgien auf Kosten liebevollen Verstehens. Wird die verständnisvolle Beziehung so stark in den Vordergrund gestellt, dass die Sexualität keine besondere Bedeutung hat oder gar nicht mehr stattfindet, liegt dem nahezu regelmäßig ein Übertragungsgeschehen in der Partnerschaft zugrunde; in der Tiefe sehnt man sich dann nach Mutter oder Vater, mit denen man natürlich auch nicht schlafen will. Infolge unbewusster Übertragungserwartungen an den Partner sieht man diesen nicht mehr, wie er wirklich ist, sondern mit der Brille früher Erfahrungen, was die reale, gegenwärtige Beziehung zunehmend vergiftet. Wenn hingegen der Sex ersetzen soll, was beziehungsdynamischnicht mehr gelingt, dann müssen die
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