Die neue Lustschule
sexuellen Begegnungen immer häufiger, wilder, wechselhafter und raffinierter absolviert werden, um das Liebesdefizit – natürlich erfolglos – auffüllen zu wollen. Dies ist die Quelle einer Sexsucht. Sex ist eben nicht gleich Liebe.
Es gibt in der Ehe aber noch einen ganz anderen, weit verbreiteten und in der Sache eher harmlosen, aber ebenso traurigen Grund, dass Liebe und Sex auseinanderfallen oder an Erregung und Befriedigung verlieren. Das ist die Gewöhnung – das Selbstverständliche, das Alltägliche, die Routine. Die individuellen Besonderheiten schleifen sich ab, der Alltag entlarvt auch die hässlichen Seiten der Beziehung. Die normale Nichtübereinstimmung entwickelt sich zum gegenseitigen Vorwurf und ständigen Streitthema.
Man pflegt sich weniger, lässt sich gehen, sieht sich ungekämmt und ungeschminkt, muss unangenehme körperliche Ausdünstungen und Ausscheidungen aushalten und die Charakterfehler, die jeder hat, zur Kenntnis nehmen. Dass zwei Menschen in jeder Hinsicht gut zusammenpassen, ist wohl so selten wie ein Lottogewinn, aber die meisten erwarten genau dies voneinander, sonst würden sie nicht ein enges Zusammenleben riskieren. Für viele beginnt mit dem Zusammenwohnen ein trauriger Prozess des Liebesverlustes und des erotisch-sexuellen Abtörnens. Ich habe diese Entwicklung so oft zur Kenntnis nehmen müssen, dass darin auch ein unbewusstes Ausagieren frühen Unglücks vermutet werden darf. Die gegenwärtige Beziehung darf einfach nicht besser werden als das, was man aus der Kindheit kennt, weil ansonsten das frühe Elend umso schlimmer spürbar würde. Solange frühe Defizite und Verletzungen nicht erkannt und gefühlsmäßig verarbeitet sind, ist in der Gegenwart kein besseres Leben möglich als in der Vergangenheit – wenn dieser Zusammenhang endlich verstanden würde, könnten sichsehr viele Menschen vom selbstgemachten Beziehungselend der Gegenwart befreien. Aber ohne diese Erkenntnis und eine gefühlsgetragene Integration der Entwicklungsgeschichte bleibt das Elend der Kindheit eben lebensbestimmend. Keinen der beiden Partner trifft dann wirklich Schuld, beide leiden und bemühen sich, ihre Situation zu verbessern, finden jedoch keinen wirklichen Ausweg aus der «Liebesfalle».
Wenn Liebe und Sex auseinanderzufallen drohen, dann helfen nur «Beziehungsarbeit» und «Sexkultur».
Beziehungsarbeit
Angst, Kränkung, Hass und Ekel sorgen dafür, dass sexuelle Lust und Entspannung unmöglich werden. Stress tötet die Lust. Die wichtigste Aufgabe der Beziehungsarbeit besteht dann darin herauszufinden, welche Gefühle dafür verantwortlich sind; ob sie aus der eigenen Geschichte mitgebracht wurden oder durch die gegenwärtige Beziehung entstanden sind.
Anfangs glaubt man immer, das gegenwärtige Geschehen und natürlich das Verhalten des Partners seien die Quelle der eigenen Unzufriedenheit, und im Glauben auf Besserung hält man gegebenenfalls lange an einer unglücklichen Beziehung fest. Die erhoffte Besserung tritt aber nie ein, weil es gar nicht der Partner ist, an dem man wirklich leidet – auch wenn er sich noch so unmöglich verhält –, sondern es ist immer das eigene Leid, das man in sich trägt und auf den betreffenden Partner projiziert. Wer an seinem Partner leidet, ist selber schuld. Und muss sich die Frage gefallen lassen, weshalb er an einer solchen Beziehung festhält und sich sein Leben in eigener Verantwortung belastet und verdirbt. Es gibt nur wenige, allerdings auch schwerwiegende Gründe, die sich für das Festhalten am eigenen Unglück anführen lassen:
1. Die gemeinsame Verantwortung für Kinder
Aber unglückliche Eltern machen auch ihre Kinder unglücklich. Eine klare Trennung mit der Chance für die Kinder, die Mutter- und die Vaterwelt mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen getrennt kennenzulernen und sich daraus allmählich eine eigene Meinung zu bilden, ist bei aller Tragik für die Kinder immer noch die bessere Lösung, als unter der Beziehungsqual der Eltern zu leiden, für die Interessen einer Seite missbraucht zu werden oder als Sündenbock herhalten zu müssen. Jedes Kind hat seine ureigene Individualität, die nur in der Auseinandersetzung mit den elterlichen Eigenschaften, mit der Übernahme und Abgrenzung von deren Erfahrungen und Ansichten sowie in der Freiheit des Suchens und Experimentierens mit den eigenen Möglichkeiten reifen kann.
2. Die finanzielle Abhängigkeit vom Partner
Das ist natürlich ein großes Thema der
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