Die neue Lustschule
chronifiziert das die Beziehungsstörungen und zerstört die sexuelle Lust. Aber gegen den kleinen Stress, die Alltagsstrapazen, die geringeren Verstimmungen oder die entstandene Distanz in der Beziehung ist Sex ein Königsweg zur Entlastung, zur genussvollen Nähe, zu Versöhnung und Entspannung. Dazu bedarf es einer
Sexkultur:
erotische Zwiegespräche, klare Ansagen, was man will und sich wünscht. Die Vorbereitungen, das Ambiente, die Technik und auch die Hilfsmittel bekommen in diesem Zusammenhang eine wesentliche Funktion und Berechtigung. Am wichtigsten aber bleibt die Arbeit an der eigenen Lustfähigkeit, um sich dem Partner im Vergnügen anbieten zu können und nicht etwa von ihm zu erwarten, dass er für die gewünschte Entspannung schon sorgen wird.
Oft höre ich Frauen darüber klagen, dass der Partner Sex will, ohne dass die Beziehung dafür hergestellt sei. Sie fühlen sich dann nur benutzt und nicht als «ganze Frau» gemeint. Damit spalten sie sich selbst in Unter- und Oberkörper auf und werten die sexuellen Möglichkeiten ihres Frauseins ab. Indem sie den Partner zum «Schwein» erklären, verleugnen sie in der Regel ihre eigenen sexuellen Luststörungen.
Natürlich gibt es auch gravierende Beziehungskonflikte, die sexuellen Kontakt im Grunde unmöglich machen. Hassvolle Vorwürfe oder gar Nötigungen zu intimen Handlungen weisen dann auf schwerere Persönlichkeitsstörungen hin, die sich nicht durch Sex «heilen» lassen. Versöhnung durch Sex ist nur auf dem Niveau einer situativen und vorübergehenden Verstimmung möglich. Sich auch in genitaler Hinsicht als «ganze Frau» zu erleben, ist hingegen durchaus Ausdruckeines gesunden Selbstverständnisses – man ist begehrt, wird lustvoll «gebraucht» und kann die Situation auch für das eigene Vergnügen nutzen, also den Partner ebenso «gebrauchen». Jeder, der Sorge dafür trägt, seine Lustfähigkeit zu entwickeln, investiert nicht nur in seine Gesundheit, sondern auch in eine zufriedene Beziehung, die auf dieser Grundlage Konflikte besser übersteht und Differenzen leichter toleriert.
Die sexuellen und Beziehungsprobleme
in Abhängigkeit von den frühen Mütterlichkeits- und Väterlichkeitsstörungen
Säuglingsforschung und Neurobiologie haben inzwischen die psychotherapeutischen Erkenntnisse von der prägenden Bedeutung der ersten Beziehungserfahrungen (Mutter – Vater – Kind) überzeugend gesichert. Dies lässt im Grunde keine Diskussion mehr über die Wichtigkeit einer optimalen Betreuung von Säuglingen und Kleinstkindern zu. Was allerdings «optimal» im jeweiligen Fall heißt, bleibt eine individuell zu lösende Aufgabe.
Bei Fragen der Frühbetreuung darf es keinen Streit über familiäre oder Fremdbetreuung geben, sondern es muss die Qualität der ersten Beziehungserfahrungen aus der Perspektive des Kindes bewertet werden. Das Kind braucht die zuverlässige Präsenz einer primären Bezugsperson mit den Fähigkeiten zur Empathie, Bestätigung und Befriedigung, mit der Bereitschaft zu Schutz und angemessener Begrenzung. Aus dieser Sicht gibt es Mangelmütter und böse Eltern, so dass ein Kind möglichst frühzeitig in Fremdbetreuung kommen sollte. Und es gibt völlig unzureichende Kinderkrippen mit ungeeignetem oder überfordertem Personal, mit wechselnden Betreuungspersonen und vielfältigen schädigendenEinflüssen, in die Kleinstkinder niemals gegeben werden dürften. Eine kindgerechte Entscheidung wird also die Betreuungsqualität in den Mittelpunkt stellen.
Für unser Thema will ich die Folgen der möglichen frühen Mütterlichkeits- und Väterlichkeitsstörungen auf die spätere Sexualität und Beziehung beschreiben.
1. Für einen Menschen mit der Erfahrung früher
Mutterbedrohung
(die Einstellung der Mutter zum Kind lautet: «Sei nicht! Lebe nicht! Ich will dich nicht!») bleiben auch alle späteren Beziehungen bedrohlich. In jedem mitmenschlichen Kontakt lauert die frühe Erfahrung der Ablehnung, des Nicht-gewollt- und Nicht-erwünscht-Seins. Infolgedessen ist die Beziehungs- und Bindungsfähigkeit des betroffenen Kindes in den Grundfesten von Vertrauen und Hoffnung existenziell erschüttert und bleibt im Grunde genommen unheilbar für das gesamte weitere Leben. Es ist nur möglich, diese Grundstörung mit ihren Folgen zu erkennen und zu lernen, damit kompetenter umzugehen. Das wirkt sich natürlich auch auf die Sexualität aus. Eine vertrauensvolle Hingabe ist nicht möglich oder muss unbedingt vermieden werden,
Weitere Kostenlose Bücher