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Die neue Menschheit

Die neue Menschheit

Titel: Die neue Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chad Oliver
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sehr Relatives. Wie kann man Gefühle messen? Man kann Kreativität und Wachstum berechnen, aber man kann nur von einer subjektiven Norm ausgehen. Langweile ich Sie?«
    »Nein, es ist eine interessante Frage, die ich mir selbst schon oft gestellt habe.«
    »Also, was meinen Sie? Ich weiß, daß Sie darüber nachgedacht haben, Varnum. Wir wissen eine ganze Menge über Sie.«
    »Und Sie wollen meine Meinung hören?«
    »Diese Frage ist Ihrer nicht würdig. Wir haben Sie gebeten, hierherzukommen. Ich habe Sie etwas gefragt. Wir spielen keine Spielchen.«
    Varnum ließ es sich durch den Kopf gehen. Er kam sich fehl am Platz vor. Aber was zum Teufel? »Ich kann sie Ihnen nur aus meiner persönlichen Sicht sagen. Doch eines möchte ich von vornherein klarstellen: Ich will nichts von Konditionierung hören! Ich lehne Konditionierung ausdrücklich ab!«
    »Gewiß doch! Sie sind nicht zur Behandlung hier. Wir verletzen keinesfalls Ihre persönlichen Rechte!«
    »Na gut, ich glaube Ihnen, obwohl ich damit möglicherweise einen großen Fehler mache. Also hören Sie, was ich denke … Wohlgemerkt, ich erhebe keine Anklage gegen den Rat …«
    »Vergessen Sie all das! Bitte! Ich ersuche Sie um einen persönlichen Gefallen.«
    Und das von einem Mann, der gerade erst versucht hatte, ihn umbringen zu lassen! Aber dafür mußte er seine Gründe haben. Oder nicht?
    »Ich denke folgendes. Natürlich sitzt niemand die ganze Zeit in schwachsinniger Euphorie herum. Dazu sind die Menschen nicht geschaffen. Das werden Sie wohl auch nicht gemeint haben. Ich betrachte mich als glücklicher als die meisten, trotzdem würde ich mich nicht als glücklich bezeichnen. Die logische Entgegnung wäre jetzt: Na und? Wen interessiert das schon? Treffender ist vielleicht die Tatsache, daß ich niemand kenne, der wirklich glücklich zu sein scheint.
    Möglicherweise liegt das bloß daran, daß ich die falschen Leute kenne – oder daß ich diese Wirkung auf sie habe. Aber wenn es mehr als nur Phantasie ist, dann ist Glücklichsein etwas Positives, nicht nur die Abwesenheit von Schmerz oder Hunger oder Elend. Und genau das ist es, was wir haben – eine lange Reihe von Nichtvorhandenem. Niemand schert sich so oder so um etwas. Wir sind ein Rudel wunderbar ausgeglichener Zombies.«
    Ira Luden verschränkte die langen schlanken Finger. Es war eine vielgeübte Geste. Man sagte ihm oft, welch schöne Hände er hatte. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Auch das war einstudiert.
    »Nicht schlecht«, sagte Luden schließlich. »Tatsächlich neige ich dazu, Ihnen beizupflichten.«
    Das überraschte Varnum, und es war ihm anzusehen. » Sie glauben, daß wir uns alle miserabel fühlen? Wirft das nicht ein schlechtes Licht auf die Obrigkeit?«
    »Von miserabel fühlen war nicht die Rede«, entgegnete Luden ungerührt. »Ich würde den Zustand nichtglücklich nennen. Es ist etwas Passives, die Abwesenheit von Freude. Es ist mir bewußt, daß ich nicht sehr originell bin. Aber so ist es wohl.«
    »Und?«
    Sie studierten einander. Der eine war ausgeglichen und elegant, der andere das Gegenteil. Und doch hatten sie etwas gemein. Der Rest des Rates schien überhaupt nicht vorhanden zu sein.
    »Mein Image ist nicht so wichtig – nicht hier. Es ist also nicht nötig, daß Sie sich dumm stellen, Varnum. Hielte ich sie für dumm, würde ich mich nicht mit Ihnen befassen. Es ist Ihnen sehr wohl bewußt, daß auch einer Regierung Grenzen gesetzt sind. Ich habe keinen Zauberstab. Das einzige, was ich habe – was wir haben –, ist ein Problem. Deshalb brauche ich Ihre Hilfe.«
    »Mein Zauberstab funktioniert schon seit Jahren nicht mehr.«
    »Hören Sie zu, mein Freund. Angenommen, wir einigen uns darauf, daß wir eine Art Krise des Geistes durchmachen. Die Bürger – und ich fürchte, ich muß uns zu dieser Kategorie rechnen – sind, wie Sie so schön sagten, ein Rudel Zombies, also lebende Tote. Wenn auch nur ein bißchen Wahrheit in diesen Worten steckt – und davon bin ich überzeugt –, dann stellen sich einem zwei häßliche Fragen: Wieso sind die Leute emotional so lethargisch? Und was läßt sich tun, um ihr Blut wieder in Wallung zu bringen?«
    »Das fragen Sie mich?«
    »Das frage ich Sie.«
    Varnum fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut. Fragereien hatten ihm nie behagt. Er erhob sich und blickte auf den Rat. Wieder stand er wie angewurzelt, mit den breiten Schultern nach vorn gebeugt. Die dunklen Augen hatte er verengt und die Prankenhände auf

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