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Die neue Menschheit

Die neue Menschheit

Titel: Die neue Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chad Oliver
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gekommen.
    Sie hatten überlebt, und es gab neue Säuglinge unter ihnen.
    Doch nicht die mögliche Nähe der Kreatur, die sie in der Höhle fast gesehen hatten, trieb sie fort, sondern das Fehlen von anderen Tieren.
    Es war Zeit weiterzuziehen und neues Land zu suchen.
    Varnum dachte jedoch nicht daran, seinen zum Fluß gewordenen Bach zu verlassen. Er war ein Teil von ihm geworden. Aber Flüsse waren lang, und sie würden vielleicht seine Mündung nie sehen.
    Varnum jedenfalls ganz sicher nicht.
    Und so ließen die Leute die Höhlen hinter sich zurück.
    Auf gewisse Weise ihre kurze Geschichte.
    Flußabwärts ging es.
    Die Sicherheit und die Gefahr und das Geheimnisvolle waren mit dem eisigen Winterwind verflogen – aber nicht vergessen.
    Sie würden in Erinnerung bleiben, solange es die Leute gab.
     
    Varnum stand in seinem Fluß. Das kühle klare Wasser kräuselte sich um seine Beine, die warme Sonne sog die Schmerzen aus den narbigen, hackten Schultern.
    Er hatte seine Angel verbessert. Sie war jetzt leichter und biegsamer. Sie war kein Meisterstück, aber er war stolz auf sie. Die feine, geflochtene Schnur glitt widerstandslos durch die Ringe und er konnte seinen Wurf genau berechnen.
    Er wußte natürlich, daß es eine Flucht aus der Wirklichkeit war. Beim Angeln schwebte er in höheren Regionen. Er konnte die Entscheidungen aufschieben, die er treffen mußte.
    Er war glücklich. Das war noch etwas.
    Er warf die Fliege etwa eineinhalb Meter vor die Stelle, wo er die verräterischen Ringe im Wasser gesehen hatte. Sie trieb wundervoll dahin, und der Fisch schnappte sie voll.
    Er spürte das lebende Gewicht, sah die verschwommenen blauen Streifen im Wasser.
    Varnum grinste erfreut. Er spürte das aufgeregte Hämmern seines Herzens.
    »Hab’ dich!« murmelte er.
    Er spielte mit dem Fisch, ließ ihn springen und untertauchen. Es war ein guter Fisch. Er hätte ihn eher hochziehen können, aber er war in keiner Eile.
    Er arbeitete ihn allmählich heran, wickelte die Schnur auf seine plumpe Rolle. Dann griff er nach dem Fisch und hob ihn aus dem Wasser. Es war ein Weibchen, das erkannte er an der Kieferform. Es hatte bestimmt Eier in sich. Sie laichten, wenn der Wasserstand im Herbst fiel.
    Ein so schöner Fisch!
    Verstohlen schaute er sich um. Niemand beobachtete ihn. Weder Nister noch Einauge noch Regenfreund …
    Er löste den Dornenhaken und ließ den Fisch frei. Er mußte ihn einen Augenblick stützten, bis er das Gleichgewicht zurückgewann. Und dann sauste er davon.
    »Viel Glück«, wünschte Varnum ihm. »Auf Wiedersehen!«
    Die warme gelbe Sonne tat gut. Das kühle glitzernde Wasser tat gut. Der Duft des frischen Grüns tat gut.
    Vielleicht war das das wahre Leben. Vielleicht war das alles, was dazu gehörte. Wenn es so etwas wie eine Bestimmung gab, dann war es die Bestimmung eines Fisches, in kristallklarem Wasser zu schwimmen, hochzutauchen, um nach Insekten zu schnappen, und zu laichen. Es war die Bestimmung des Menschen, Mensch zu sein und zu tun, was Menschen taten und immer getan hatten.
    Es gab keine klugen strukturellen Lösungen für menschliche Probleme, Menschen waren Menschen, so unterschiedlich ihr Leben auch war.
    Angelphilosophie. Sie überdauerte selten die warmen Nachmittage und die Musik des fließenden Wassers. Sie war wie Bierphilosophie, gültig, solange das Bier reichte.
    Varnum mußte immer noch seine Entscheidungen treffen. Das blieb ihm nicht erspart.
    Widerstrebend watete er aus dem Wasser und kehrte zu den Nestern zurück.
    Er wußte es zwar nicht, aber seine Entscheidung wartete dort bereits auf ihn.
     
    Im verblassenden Licht des Tages standen mehrere Leute in der Nähe seines Nestes. Er nickte Späher zu, Vogeltöter und Blume.
    Sie alle beobachteten Dieh.
    Es war durchaus nichts Dramatisches. Auf einer kleinen Lichtung, die sie selbst gemacht hatte, kauerte Dieh auf Händen und Knien.
    Varnums Sohn (Beowulf?) kam ihm entgegengerannt. Der Junge rannte immer. Er faßte den Vater an der Hand. Er schien mehr verwirrt als fasziniert zu sein.
    »Siehst du, was Dieh macht?«
    »Ich sehe es.« Das war milde gesagt.
    »Was macht sie denn?«
    Varnum gelang ein trockenes Lächeln. »Deine Mutter erfindet den Ackerbau«, antwortete er. »Ich kann dir nicht sagen, wie mich das freut. Nächste Woche wird es Dynamit sein.«
    »Hm?«
    »Schon gut, Junge. Es ist nur ein weiterer Nagel im Sarg.«
    »Du sprichst komisch.«
    »Ich komme mir auch komisch vor.« Varnum befreite sanft seine Hand.

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