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Die neue Menschheit

Die neue Menschheit

Titel: Die neue Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chad Oliver
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sich auf glattem Eis befand und es nicht merkte …
    Dann Gnade dir Gott!
    Erstens, lag er noch viel weiter zurück, als er gedacht hatte.
    Der Abstand zwischen ihm und Spürblut war kaum geschrumpft. Es war so gut wie unmöglich, daß er ihn einholte, ehe er die alten Nester erreichte. Außer, natürlich, Spürblut kippte in seinem Übereifer um und stand nicht mehr auf.
    Zweitens, war er gar nicht sicher, daß er mit Spürblut fertig würde, falls er ihn tatsächlich einholte. Varnum war müde, und er würde noch viel müder werden.
    Drittens und letztens, er war nicht allein auf der Fährte.
    Jemand vor ihm folgte Spürblut ebenfalls.
    Das waren mit dem Kind dann schon vier, die sich den alten Nestern näherten!
    Eine verdammte Expedition!
    Wenn die Monitoren eingeschaltet waren, würden sie eine Menge zu übermitteln bekommen!
    Er wußte natürlich, wer vor ihm war. Er hätte es von Anfang an wissen müssen.
    Späher.
    Späher mußte Weißhaar als erster gefunden haben. Da er nicht dort gewesen war, als Varnum dazukam, konnte es nur bedeuten, daß er sich bereits an die Verfolgung gemacht hatte. Das war so offensichtlich, daß es Varnum nicht hätte entgehen dürfen.
    Aber es war ihm entgangen! Er war gar nicht auf diesen Gedanken gekommen.
    Schöner Führer! dachte er. Ich schaffe es nicht allein. Ich kann nicht alle Entscheidungen allein treffen. Dazu bin ich nicht mehr scharfsichtig genug. Vielleicht war ich es auch nie.
    Was konnte er also jetzt tun?
    Wenn er einen kranken, mit seiner Tochter belasteten Spürblut nicht erwischen konnte, war es bei Späher erst recht nicht möglich. Späher war stark, vermutlich der Stärkste von ihnen. Er wurde mit Spürblut fertig!
    Aber Späher hatte keinen Grund, den alten Nestern fernzubleiben. Er wußte nichts von der Gefahr. Was Späher wissen müßte, war in Varnums Kopf verschlossen.
    Ein weiterer Fehler?
    Und wenn Späher allein, ohne Varnums Hilfe, mit der Situation fertig wurde, wo blieb dann Varnum?
    Wer würde dann der Führer sein?
    Varnum schüttelte den zotteligen Kopf. Es gab keine richtigen Antworten. Nicht heute.
    Keine Welt, auf der es Menschen gab, war einfach. Das war eine weitere Täuschung gewesen. Ob Zivilisation oder nicht, Menschen waren als solche Probleme!
    Varnum fand Trost im Handeln. Seine Füße trafen die Entscheidung, die seinem Verstand entging.
    Er folgte dem Pfad weiter. Er holte nicht das letzte aus sich heraus, aber er ließ sich auch nicht Zeit.
    Er kam voran.
    Die strahlende Sonne begann ihn zu wärmen. Der gute vertraute Bach rauschte und plätscherte und flüsterte ihm zu.
    Varnum würde nicht aufgeben.
    Er würde dem Pfad bis zum Ende folgen und dann sehen, was er sehen würde.
    An diesem Tag machte Varnum nur einmal Rast, um zu essen und Wasser aus dem Bach zu trinken. Varnum rannte so leise wie sein wachsender Schatten auf dem Pfad.
    Kurz vor Einbruch der Nacht holte er sie ein.
    Spürblut lag im Dreck und war tot. Er war schon eine geraume Weile tot.
    Späher riß ihn, im wahrsten Sinne des Wortes, in Stücke, während das kleine Mädchen hinter den vor das Gesicht geschlagenen Händen schluchzte.
    Varnum verlangsamte weder, noch beschleunigte er den Schritt. Er trat zu dem blutigen Toten, stellte sich über ihn, mit einem Fuß links und rechts der verstümmelten Leiche, und hob seinen Speer.
    Nicht drohend.
    Die Spitze war zum Himmel gerichtet.
    Als Späher knurrte und ihn wegzuziehen versuchte, blieb Varnum unerschütterlich stehen.
    »Genug«, sagte er ruhig.
    Späher zögerte. Seine Augen brannten vor Wut. Er hätte Varnum ebenfalls zerreißen können, und er wußte es. Doch etwas hielt ihn zurück, wie nicht zum erstenmal. Varnum war anders. Er war der einzige Führer, den Späher je gekannt hatte.
    Varnum sprach mit ruhiger Stimme. Er hatte nicht vor, den Speer zu benutzen. Es war schon genug getötet worden.
    »Späher, du bist ein guter Mann. Es wird der Tag kommen, da du Führer sein mußt. Du hast getan, was getan werden mußte. Nun ist es vollbracht. Du kannst Weißhaar nicht ins Leben zurückbringen, indem du einen Toten schlägst.«
    Späher blickte ihn an. Er verstand nicht alle Worte, wohl aber den allgemeinen Sinn.
    Mehr Worte wurden benötigt. Varnum würde dafür sorgen. Er war sich seiner Rolle durchaus bewußt. Älteste waren selten in einer Gesellschaft wie dieser, und aus gutem Grund. Man mußte eine lange Zeit leben, um Ältester zu werden. Schaffte man es, mußte man sich als Friedensmacher, als

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