Die neue Rasse
mehr über Captain Aaron Nomad wußte, den - wenn man zur Un-tertreibung neigte - >seltsamen< Eigner der NOSTROMO ...
»Okay, Leute, meine Schicht beginnt in drei Stunden. Ich hau mich noch ein wenig aufs Ohr. Wenn das Wetter so bleibt, wird's ein harter Job da droben.«
Parker Flagg wies mit dem hochgereckten Daumen nach oben und stand betont müde auf. Daß seine Finger dabei wie zufällig über seinen Schritt streiften, weckte in Delacroix' wieseligem Blick ein vergnügtes Funkeln.
»Hey, Flagg, ich schätze eher, du willst deinem kleinen Freund noch mal die Hand geben, bevor der Sturm ihn dir abreißt, he?« Er unterstrich seine Worte mit einer eindeutigen Geste seiner fast geballten Faust.
»Wenn er ihn mir abbeißt, würde ich damit liebend gern dein dummes Maul stopfen«, knurrte Flagg und ging zur Seitentür aus dem Aufenthaltsraum hinaus auf den Gang, an dem die Mannschaftskabinen lagen.
Aber vorher werde ich den >Kleinen< noch anderweitig benutzen ...
Doch diesen Gedanken sprach Flagg nicht aus. Und jenen erwartungsvollen Ausdruck ließ er erst in sein Gesicht, nachdem er die Tür geschlossen und sich in die ihren Quartieren entgegengesetzte Richtung gewandt hatte.
*
Marisa Huxley kam sich vor, als wäre sie von einem riesigen Monstrum verschlungen worden und nun in einer Vorkammer des eigentlichen Verdauungstraktes zum Warten verdammt.
Die Geräusche um sie her verliehen ihrer schrecklich kreativen Phantasie immer neue Nahrung.
Stinkende Flüssigkeiten schwappten irgendwo in Vertiefungen bei jeder Bewegung ihres Gefängnisses hin und her, und der Gestank schürte ihre allein schon vom ungewohnten Schaukeln herrührende Übelkeit. Titanenfäuste schienen an die Wände ringsum zu trommeln, und ihre spürbare Kraft ließ das Mädchen fürchten, daß sie irgendwann - eher früher als später - den Stahl einfach niederreißen würden.
Dinge bewegten sich ringsum knarrend und rumpelnd über den dreckstarrenden Boden, aber noch viel schlimmer waren jene Dinge, die sich lautlos bewegten; die über ihre Füße strichen, pelzig und mit winzigen, aber messerscharfen Krallen .
Zum vielleicht tausendsten Mal in den wenigen Stunden, die Ma-risa erst hier zubrachte, bereute sie bitter, sich auf dieses Abenteuer eingelassen zu haben. Wie oft würde sie es noch tun in den vielen, vielen Stunden, die sie hier noch ausharren mußte? Nicht nur in Angst vor all dem, was jetzt schon um sie herum in der Dunkelheit lauerte, sondern auch - und vor allem - vor dem, was noch hinzukommen konnte. Was womöglich geschehen konnte, wenn man sie - fand .
Er hatte zwar versprochen, dafür zu sorgen, daß niemand hierherkam. Er hatte gesagt, es käme ohnehin nie jemand hierher. Das hier wäre eine Art >Einweg-Lagerraum<. Dinge würden hier nicht abgestellt, um sie später wiederzuholen, sondern nur, um sie loszuwerden. Es wäre so etwas wie die Müllhalde des Frachters NOSTRO-MO.
Und bei Licht besehen hatte Marisa das auch geglaubt. Die allermeisten der Dinge hier hatten ausgesehen, als stünden sie schon seit Jahren hier.
Doch jetzt, da sie allein versteckt in der Finsternis und hinter allerlei schimmelbewachsenem Unrat kauerte, gebar die Angst stets neue Gedanken, einer furchtbarer als der andere.
Der schrecklichste von allen jedoch saß ihr schon die ganze Zeit über im Nacken. Marisa kannte ihn, weil sie ihn sich notgedrungen selbst aufgeladen hatte: Der Gedanke daran, daß er kommen würde, um sich seinen Lohn zu holen. Seinen Lohn dafür, daß er sie an Bord der NOSTROMO gebracht hatte, damit sie nach Alaska gelangte.
Die Gänsehaut, in der Marisa nun bereits seit Stunden steckte wie in viel zu engen und feuchtkalten Kleidern, wurde noch ein bißchen enger, und der Kloß in ihrem Hals wucherte, so daß sie fürchtete, er würde ihr vollends den Atem rauben.
Wieder fragte sie sich, ob das Ziel den Preis lohnte. Und wieder versuchte sie sich hartnäckig, aber mühevoller als noch beim vorigen Mal davon zu überzeugen, daß es so war.
Pete war alles, was noch von ihrer Familie übrig war. Eine Zeitlang hatte Marisa nach dem Tod ihrer Eltern versucht, sich mit der plötzlichen Einsamkeit zu arrangieren. Mit ihr zu leben. Ein neues Leben auf den Trümmern des alten aufzubauen.
Doch sie hatte dabei nur eines gelernt: Daß man sich in einer Stadt wie New York anstrengen konnte, wie man wollte - wenn man die Allgewalt des Molochs gegen sich hatte, kam man trotzdem nie und nimmer mehr auf die Beine. Nicht allein, nicht ohne
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