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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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beispielsweise der Frage der Geburtenkontrolle an – dass überall Kondome erhältlich sind und unter den Ärmsten oft auch kostenlos verteilt werden, ist der Initiative nicht-religiöser Gruppen zu verdanken. Und immer noch getrauen sich Politiker nicht an das Abtreibungsgesetz heran, das sehr viel strikter ist als in Deutschland und weiten Teilen Europas.
    Nein, Brasilien ist nicht gesegnet mit religiösen Traditionen und Praktiken, die das Land in die Zukunft führen. Es schreitet eher trotz als wegen des Glaubens voran. Und darüber kann auch der umjubelte Besuch von Papst Franziskus Ende Juli 2013 nicht hinwegtäuschen: Drei Millionen strömten zur Messe an die Copacabana, der Weltjugendtag wurde zum katholischen Woodstock. Der Pontifex schüttelte Hände, segnete, trank den von einem Besucher gereichten Tee. Eine ganze Woche lang war er als Menschenfischer unterwegs, fuhr bescheiden im Fiat, logierte im einfachen Gästehaus, besuchte eine Favela und eine Suchtklinik. Präsidentin Rousseff konnte aufatmen: Franziskus pries die staatlichen Programme zur Armutsbekämpfung, dämpfte die Erwartungen der Sozial-Protestler mit einem eher allgemein gehaltenen Appell, sich gegen Ungerechtigkeiten aufzulehnen. Auch Leonardo Boff war glücklich: Zwar kam es nicht zur gemeinsamen Aussprache, aber schon im Vorfeld hatte Franziskus großes Verständnis für die Anliegen der Befreiungskirche gezeigt und eine Versöhnung in Aussicht gestellt.

BRASILCHINDIA und wir:
Ein Ausblick
    Wenn es denn drei Experten gibt, mit denen sich der Aufstieg der neuen und der Fall der alten Mächte zu diskutieren lohnt, dann sind es wohl sie: Jim O’Neill, britischer Top-Banker und schillernder Guru der Finanzbranche, der sich im Jahr 2001 das BRIC -Konzept am Reißbrett ausgedacht und damit Weltpolitik gemacht hat. Amartya Sen, indischer Wirtschaftsnobelpreisträger und Harvard-Professor, Fachmann für nachhaltige soziale und ökonomische Entwicklungsstrategien. Lee Kuan Yew, der chinesische Ex-Premier von Singapur, der aus dem heruntergekommenen Stadtstaat ein autoritär regiertes Erfolgsmodell gemacht hat, vom Westen misstrauisch bewundert, von Peking zum Vorbild erhoben. Was denken die drei über BRASILCHINDIA und die Verschiebung der Gewichte in Politik, Wirtschaft und Kultur auf der Welt? Wie kann man, wie soll man diesen Prozess steuern? Und wer profitiert, wer verliert?
    Ein Glaspalast in der Londoner Innenstadt, ein langer Gang, der durch ein Großraumbüro mit Dutzenden Angestellten vor blinkenden Computerbildschirmen führt, dann das Chefzimmer: vierzig Quadratmeter, ein Schreibtisch, drei Sessel. An der Wand hängt ein gerahmtes Schmuckstück, auf das der Hausherr offensichtlich besonders stolz ist: das rote Originaltrikot von George Best, der Fußballlegende von Manchester United. Dafür, dass der Boss hier selbst schon fast eine Legende ist, wirkt das alles sehr bescheiden. Britisches Understatement, wie man es vielleicht von einem anderen Top-Banker der Londoner City erwarten würde, aber doch nicht von ihm. Von Jim O’Neill, dem der Ruf des Glamourösen vorausgeht. Dem »Rock-Star von Goldman Sachs«, wie ihn die Business Week einmal genannt hat; als Asset-Manager verwaltete er zwischenzeitlich 800 Milliarden Dollar für seine Kunden – mehr als das Doppelte des deutschen Bundeshaushalts. Es war seine Idee, im Jahr 2001 Brasilien, Russland, Indien und China als eine aufstrebende Staatengruppe zusammenzufassen, als Wirtschaftsmächte der Zukunft. Und ihnen das Akronym BRIC zu geben, das berühmteste – und folgenreichste – Kürzel der Wirtschaftsgeschichte.
    Jim O’Neill ist schwer zu fassen. Unser Gespräch findet im Februar 2013 statt, der Banker ist gerade von seinem Job zurückgetreten, will Goldman Sachs verlassen – eine persönliche Entscheidung, sagt er, greift aber auch die »Unsensibilität« der umstrittenen Investmentbank scharf an. Er als Kind aus kleinen Verhältnissen habe sich unter den Auftrumpfenden der Branche immer als Außenseiter gefühlt. Fraglich, ob man dem knallharten Banker seine Selbstkritik und Sensibilität abnehmen kann, inwieweit sie erst nach seiner Demission eingesetzt haben. Und Außenseiter war er sicher nur vom Typ her und immer innerhalb der Gruppe der Insider, die das große ökonomische Rad der Weltwirtschaft mitgedreht haben. Sein Gespür für Entwicklungen und seine Fähigkeit, die Dinge griffig auf den Punkt zu bringen, aber sind unumstritten. O’Neill ist ein Verkaufsgenie –

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