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Die neuen Leiden des jungen W

Die neuen Leiden des jungen W

Titel: Die neuen Leiden des jungen W Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urlich Plenzdorf
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um!
    Dieter drehte sich um, und mir fiel zum Glück ein: Wollte bloß mal fragen, ob ihr nicht ’ne Rohrzange habt.
    Ich wurde einfach das Gefühl nicht los, Dieter sollte vielleicht gar nicht wissen, daß Charlie mich eingeladen hatte. Ich ging auch höchstens einen Schritt in das Zimmer. Komischerweise sagte Charlie: Haben wir eine Rohrzange?
    Ich analysierte rasant die Lage und kam zu dem Schluß, daß Charlie die Sache mit der Rohrzange mitspielte. Sofort kriegte ich wieder diesen Schüttelfrost. Dieter fragte: Wozu brauchst du ’ne Rohrzange? Rohrbruch?
    Und ich: Kann man so sagen.
    Übrigens brauchte ich tatsächlich diese Zange. Für die Spritze. Ich hatte zwar etwas in der Art aufgerissen in einem ollen Schuppen. Bloß, die war dermaßen vergammelt, daß einer sich damit höchstens noch ein Loch ins Knie hauen konnte. Dann gaben wir uns die Pfoten, und Dieter machte: Na?
    Das war dieses Onkel-Na. Hätte bloß noch gefehlt, daß er rangehängt hätte: Junger Freund. Haben wir uns denn seit unserer letzten Zusammenkunft gebessert, oder haben wir immer noch diese Flausen im Kopf? Für gewöhnlich brachte mich so was sofort auf die Palme, und auch diesmal war ich sofort oben. Aber ich nahm mich zusammen und kam wieder runter und war ganz der bescheidene, vernünftige, gereifte Junge, der ich seit kurzem war, Leute. Ich weiß nicht, ob sich das einer vorstellen kann — ich und bescheiden. Und alles das bloß, weil ich dachte, ich hab diese Spritze in der Hinterhand, ich Idiot. Ich weiß gar nicht mehr, was ich mir eigentlich dachte dabei. Ich war wohl einfach so sicher, daß meine Idee mit der Hydraulik genau richtig war, daß ich schon vorher so bescheiden war wie ein großer Erfinder nach seinem Erfolg. Edgar Wibeau, der große, sympathische Junge, der trotzdem so bescheiden geblieben ist und so weiter. Wie bei diesen Spitzensportlern. Mann, Leute, war ich ein Idiot. Außerdem sah ich natürlich, daß Charlie rot wurde. Ich meine, ich sah es nicht. Ich konnte sie die ganze Zeit einfach nicht ansehen. Ich hätte sonst wahrscheinlich irgendeine Riesenidiotie gemacht. Aber ich merkte es. Wahrscheinlich ging in dem Moment ihr größter Traum in Erfüllung, daß ich und Dieter gute Freunde wurden. Bis dahin hatte sie noch hinter mir in der Tür gestanden. Jetzt wurde sie ganz aufgeregt, wollte Tee machen und das, und ich sollte mich hinsetzen. Das Zimmer war nicht wiederzuerkennen. Es war nicht bloß renoviert und so, sondern völlig neu eingerichtet. Ich meine, nicht mit Möbeln. Neu waren eigentlich bloß Bilder und Lampen und Gardinen und allerhand Kleinzeug, das Charlie wahrscheinlich mit in die Wirtschaft gebracht hatte. Plötzlich hätte ich da wohnen wollen. Ich meine nicht, daß da alles aufeinander abgestimmt war. Die Sessel nach dem Teppich. Der Teppich nach den Gardinen. Die Gardinen nach den Tapeten und die Tapeten nach den Sesseln, so was konnte mich immer fast gar nicht töten. Das war es nicht. Aber die Bilder waren zum Beispiel aus dem Kindergarten von den Gören. Daß Kinder malen können, daß man kaputtgeht, hab ich wohl schon gesagt. Das eine Bild sollte wohl ein Schneemann sein. Er war nur mit roter Tusche. Er sah aus wie Charlie Chaplin, wenn man ihm alles geklaut hat. Er konnte einem regelrecht an die Nieren gehen. Daneben hing Dieters Luftflinte. Die ganzen Bücher sahen plötzlich so aus, als liest sie ständig einer immer wieder. Man hatte plötzlich Lust, sich irgendwo hinzuhocken und sie alle nacheinander zu lesen. Ich fing an im Zimmer hin und her zu wetzen, mir alles zu besehen und darüber zu reden. Ich lobte alles wie ein Blöder. Ich kann nur jedem sagen, der auf ein Mädchen oder eine Frau scharf ist, der muß sie loben. Bei mir gehörte das einfach zum Service. Natürlich nicht auf die plumpe Art. Sondern so, wie zum Beispiel ich in diesem Zimmer bei Charlie. Abgesehen davon, daß es mir wirklich gefiel, sah ich natürlich, daß Charlie abwechselnd rot und blaß wurde. Ich hielt es für möglich, daß Dieter noch keinen Ton zu alldem gesagt hatte. Dazu paßte auch, daß er ganz schnell anfing sich wieder abzuschirmen. Er arbeitete wieder. Als Charlie das sah, setzte sie sich sofort hin, und ich mußte auch. Ich wurde fast nicht wieder. Sie hatte immer noch diese Art, sich hinzusetzen mit ihrem Rock. Leute, ich kann einfach nicht beschreiben, wie mir zumute war. Später winkte sie mich aus dem Zimmer. Draußen erklärte sie mir: Du mußt ihn verstehen, ja? Er ist völlig raus aus

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