Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
vorgenommen wurden, lässt sich die innere Geschichte des Osmanischen Reiches ablesen, dem es zeitweise notwendig erschien, den Islam und seine religiösen Vorschriften strenger auszulegen. Selim I . war der erste Sultan, der sich nach der Eroberung Kairos 1517 auch als religiös legitimierter Kalif verstand, und die Hagia Sophia wurde zum symbolischen Sitz des osmanischen Kalifats – weitere Bildmosaiken verschwanden unter Putz. Ebenso dokumentierte sich die allmähliche Öffnung des Osmanischen Reiches im 19 . Jahrhundert unter anderem an der umfassenden Restaurierung der Hagia Sophia unter den Schweizer Architektenbrüdern Fossati.
Mit Sultan Selim II ., der sich in einem Mausoleum gleichneben der Hagia Sophia bestatten ließ und damit eine Tradition begründete, setzte der schleichende Niedergang des Osmanischen Reiches ein, das nach über sechs Jahrhunderten erst 1922 sein Ende fand. In der nachfolgenden Türkei unter Staatsgründer Kemal Atatürk konnten 1931 die alten Mosaiken wieder freigelegt werden, 1934 ließ Atatürk im Zuge der streng weltlichen Ausrichtung der Türkei die Hagia Sophia von einer Moschee in ein Museum umwandeln. Aber noch heute werden von islamfundamentalistischer Seite gelegentlich Forderungen laut, die Hagia Sophia wieder zu einer Moschee zu machen.
*CHICHÉN ITZÁ, MEXIKO
In den ersten Jahren des 21 . Jahrhunderts errechneten Statistiker, dass die Welt seit Kurzem mehrheitlich von Stadtbewohnern bevölkert ist: Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte lebt mehr als die Hälfte der Erdbevölkerung in Städten. Dahin war es ein langer Weg, der sechstausend Jahre dauerte, denn so lange liegen die ersten Stadtsiedlungen der Menschheit zurück. In sieben Gegenden der Welt, unabhängig voneinander und zu unterschiedlichen Zeiten, entwickelte sich das Siedlungsmodell rasch zu einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. Eine dieser Regionen ist Mittelamerika, wo seinerzeit Städte wie Teotihuacán, das gern auch als das Rom Mittelamerikas bezeichnet wird, oder die Aztekenmetropole Tenochtitlán, Vorläufer von Mexiko-Stadt, ihre zeitgenössischen europäischen Gegenstücke an Einwohnerzahl mühelos ausstachen.
Städte ermöglichten und erforderten Entwicklungsschübe: Das Zusammenleben großer Bevölkerungsmengen verlangte Lösungen für vielfältige Probleme, seien es Behausung, Wasserversorgung, Hygiene oder Ernährung; gleichzeitig begünstigten Städte Kommunikation, Kreativität und Erfindungsreichtum. Die Spezialisierung menschlicher Tätigkeiten, die mit der Sesshaftwerdung einsetzte, konnte sich in den komplexen städtischen Gesellschaften zum Wohle aller weiterentwickeln und setzte enorme Energien frei. Allerdings nahmen auch die Bedeutung von Besitz und damit die Ungleichheit zu; Eliten bildeten sich heraus.
Manche Städte des Altertums sind auch heute noch Metropolen, andere wurden aus den verschiedensten Gründen aufgegeben. Untergegangene Städte erlauben der Natur, sich zurückzuholen, was Menschen ihr zuvor für den Siedlungsbau abgetrotzt haben. Deshalb können selbst heute noch längst vergessene Städte wiederentdeckt werden, beispielsweise in Mittelamerika.
Dort ist eine umfängliche, weit entwickelte Hochkultur vor vielen Jahrhunderten untergegangen und von Regenwald überwuchert worden. Die Geschichte dieser Hochkultur – der Maya – wird mit beachtlichem Aufwand erforscht, was angesichts der mehr als gründlichen Machtnahme durch die Spanier im 16 . Jahrhundert keine leichte Aufgabe darstellt. Denn die spanische Eroberung hat der Kultur der Maya, auch wenn damals deren größte Zeit bereits vorbei war, empfindliche Zerstörungen zugefügt. Beispielsweise wurde ihre überaus reiche Buchkultur vernichtet, kümmerliche vier Handschriften der Maya haben die christlichen Bücherverbrennungen überlebt. Im immateriellen Bereich wurden unter Zwang Religion und Brauchtum christianisiert und den Menschen mit ihrer Geschichte auch ein wesentlicher Teil ihrer Identität geraubt. In den letzten Jahrzehnten hat die Erforschung der Maya-Kultur trotzdem erheblich an Fahrt gewonnen: seit die rätselhaften, lange als unlesbar angesehenen Hieroglyphen weitestgehend entziffert werden konnten. Nunmehr lassen sich die vier Maya-Kodizes und in und an Gebäuden die zahlreichen Inschriften lesen, die vor allem die politische und religiöse Geschichte des mittelamerikanischen Volkes aus seiner eigenen Sicht – beziehungsweise der ihrer Machthaber – erzählen.
Die Geschichte der Maya
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