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Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Titel: Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Rechtfertigungen verfuhren die Gottkönige mit dem Kalender und dem Sternenhimmel aber keineswegs zimperlich und ließen nach Kräften mogeln, wenn es nottat. Dass die religiöse Wertschätzung der Zeit und ihre ideologische Verwendung durch Machthaber einer hoch entwickelten Astronomie und Mathematik bedurfte und die Maya deshalb darein kräftig investierten, liegt auf der Hand. Die überaus beachtlichen astronomischen Fähigkeiten der Maya-Astronomen, die ja mit bloßem Auge am Nachthimmel ihre Erkenntnisse gewinnen mussten, verlangen modernen Wissenschaftlern denn auch bis heute höchsten Respekt ab. Apokalyptische Erwartungen oder magische Erkenntnisse muss man zur Erklärung der anspruchsvollen Zeitrechnung der Maya jedoch nicht bemühen. Bei aller religiösen und ideologischen Befrachtung entwickeln sich Kalender quer durch die Menschheitsgeschichte zunächst aus konkreten Bedürfnissen des menschlichen Zusammenlebens heraus.

    Nordwestlich vom Castillo kann Chichén Itzá mit dem größten Ballspielplatz von ganz Mittelamerika aufwarten. Mit insgesamt dreizehn (eine den Maya heilige Zahl) besaß die Metropole außerdem mehr Ballspielplätze als jede andere Maya-Stadt. Allein das Spielfeld dieses größten Platzes misst 146 mal 36 Meter. Das uralte Ballspiel der Maya war nicht nur außerordentlich beliebt, sondern besaß stets rituellen Charakter. Im Schöpfungsmythos der Maya nämlich töten die Heldenhaften Zwillinge den Unterweltgöttern den letzten Nerv mit ihrem lauten Spiel, werden zu ihnen zitiert und überwinden mit List und Tücke die finsteren Mächte der Unterwelt. Damit ermöglichen sie überhaupt erst die eigentliche Schöpfung. Reliefs am Großen Ballspielplatz zeigen Szenen aus diesem Mythos, was zu der falschen Annahme führte, am Ende der Ballspiele sei der Verlierer getötet worden. Worauf sich die Begeisterung der Maya fürs Ballspiel gründete, wissen wir also – nicht aber, nach welchen Regeln es genau ablief. Sicher ist nur, dass die aus massivem Kautschuk gefertigten Bälle mehrere Kilo wogen, nur mit Hüfte und Oberschenkel getroffen werden durften und dass die Spieler sich daher verständlicherweise mit einer Lederausrüstung schützten. Ob es ein Mannschaftsspiel war und wie man es gewann, ist nach wie vor unklar. In jedem Fall wiederholten sich im Ballspiel symbolisch der Kontakt zur Unterwelt und der Sieg über die finsteren Mächte und damit über den Tod.
    Der Ballspielplatz von Chichén Itzá ist nicht nur größer als alle anderen, er unterscheidet sich auch baulich von den anderen bekannten Plätzen der Region. An der Längsseite sind die Spielrandbegrenzungen keine Schrägen wie anderswo, sondern senkrechte Mauern. Sowohl die beiden kleinen Tempel an den Schmalseiten im Norden und Süden als auch die Begrenzungsmauern der Längsseiten zeigen mythologische Darstellungen; die erhaltenen jene beschriebenen Ballspielszenen ausdem Schöpfungsmythos der Maya. Eine weitere Besonderheit: In der Mitte der Seitenwände waren große Steinringe eingelassen, durch die der Ball gespielt werden musste, in Chichén Itzá spielte man also offenbar eine Basketballvariante des traditionellen Ballspiels.

    Charakteristisch für Chichén Itzá sind die zahlreichen Gebäudeanlagen mit Säulenhallen und Säulengängen, darunter der Kriegertempel mit der »Gruppe der tausend Säulen« und eine imposante Anlage namens El Mercado mit einem weiteren irreführenden Namen (»der Markt«). Sie besitzt die höchsten Säulen im gesamten Maya-Gebiet. Der Zweck des Gebäudes ist ungeklärt, vermutlich handelte es sich ursprünglich um einen Palast oder den Sitz der Stadtregierung. Zahlreiche Darstellungen kriegerischer Handlungen führen deutlich vor Augen, dass der Aufstieg Chichén Itzás zur Wirtschaftsmacht keineswegs nur mit der Kraft warmer Worte bewerkstelligt worden war.
    Die stilistische Vielfalt bildet die Stellung der Stadt als mächtige Multikulti-Metropole ab, die in ihren monumentalen Bauwerken verschiedene Stile kombiniert, neben Maya-Stilen aus der Golfregion und Oaxaca vor allem aus Zentralmexiko. Das Ergebnis beeindruckte selbst die einrückenden Spanier, die 1532 hier die erste spanische Hauptstadt in Yucatán gründeten, die sich allerdings nicht lange hielt.

    Wie andere der Natur nicht gänzlich entfremdete Völker brachten die Maya dem Wasser große Verehrung entgegen. Das trockene Yucatán besitzt kaum oberirdische Wasserläufe; von existenzieller Bedeutung waren für die Maya daher die

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