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Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Titel: Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Ordnung hatten sich deren Götter ja nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Die Religion eines Eroberers aber rechtfertigte sich durchaus mit dessen Sieg, den er schließlich seinem Gott verdankte.
    Die osmanische Eroberung bedeutete aber nicht das Ende christlichen Lebens im nunmehrigen Schaltzentrum der islamischen Herrscher. Mehmed II . berief in Gennadios II . gar den bedeutendsten Theologen der orthodoxen Christenheit zum Patriarchen der Stadt und stattete ihn überdies mit zivilen Befugnissen aus. Christen und Juden mussten nicht zum Islam übertreten, wohl aber die osmanische Herrschaft anerkennen und sich als Bürger zweiter Klasse behandeln lassen. Diese Benachteiligungen veranlassten Gennadios schließlich zum Rücktritt. Andererseits profitierten auch die nichtislamischen Bewohner Konstantinopels von der erheblichen Stabilität des Osmanenreiches.

    Der siegreiche Islam drückte der Hagia Sophia natürlich seinen Stempel auf; unter anderem entstand eine neue Legende um den Bau, in der die Hagia Sophia aufgrund allerlei bedeutsamer Vorfälle und Umstände bereits weit im Voraus zum einstigen islamischen Gotteshaus vorbestimmt erscheint. Solches weist sie zur Mutter aller Moscheen aus, als die sie von manchen muslimischen Kommentatoren angesehen wurde, und zum Gebetshaus, indem ein Gebet hundertmal wirkungsvoller sei als in jeder anderen Moschee, so ein osmanischer Hofdichter des 17 . Jahrhunderts. Dazu passt die Geschichte eines Architekten, den Mehmed lange vor der Eroberung nach Konstantinopel geschickt haben soll, um bei der Beseitigung von Erdbebenschäden an der Kirche zu helfen. Freilich habe dieser bei der Gelegenheit auch sogleich das Fundament für ein Minarett gelegt. Dass das Gotteshaus bei aller islamischerseits zweifelhaften Vergangenheit als christliche Kirche überaus heilig war, sollte ein ebenso amüsantes wie handfestes Wunder illustrieren, das sich während der Renovierungsarbeiten 1609 ereignet haben soll: Ein Arbeiter auf dem Gerüst hoch in der Kuppel war zu faul oder nicht mehr in der Lage, bei argem Blasendruck nach unten zu klettern, und erleichterte sich in einen Eimer mit angerührtem Mörtel. Als er damit weiterarbeiten wollte, flog er in hohem Bogen vom Gerüst und landete tot und zertrümmert auf dem Erdboden – die Strafe für das gottlose Verhalten war auf dem Fuße gefolgt.
    Die osmanischen Eroberer wollten nicht nur das enorme Prestige des Baus für sich nutzen, dessen gottgefällige Bestimmung zur Moschee so eilends beschworen wurde. Es ging ihnen auch darum, eine gewisse Kontinuität zum Byzantinischen Reich zu wahren – dazu passt, dass der alte Stadtname Konstantinopel neben dem neuen Istanbul in Urkunden und auf Münzen weitergeführt wurde. Der heutige Name Istanbul fand zwar bereits Verwendung, aber nicht allein, und wurde erst 1930 von der Türkischen Republik zum alleinigen Stadtnamen erhoben. Mehmed II . aber wollte nach Istanbul auch Rom erobern und das alte Reich unter seiner eigenen Führung und der siegreichen Religion Mohammeds neu vereinen. Augenfälliges Symbol für den Triumph des Islam über das Christentum war ihm die Hagia Sophia und ihre Umwidmung vom stolzen christlichen zum nicht minder stolzen mohammedanischen Gotteshaus, der Ayasofya.
    Im Inneren wurde die Hagia Sophia mit Insignien des Sieges versehen und gemäß dem Brauch des Islam und den Anforderungen eines mohammedanischen Gotteshauses umgewandelt. Kreuze und christliche Reliquien wurden gleich entfernt, so auch die Glocken und das Kreuz auf der Kuppel. Die bildlichen Darstellungen der Mosaiken im unteren Gebetsbereich wurden gemäß dem islamischen Bilderverbot verputzt, die weiter oben hingegen blieben bis Anfang des 17 . Jahrhunderts unangetastet. Äußerlich erhielt die ehemalige Kirche ein hölzernes, später ein zweites Minarett, um die Gläubigen zum Gebet zu rufen. Im 16 . Jahrhundert ließ Sultan Selim II . die Moschee baulich umfassend sanieren und das hölzerne Minarett durch ein steinernes ersetzen; sein Sohn Murad III . vollendete Selims Vorhaben und setzte zwei weitere Minarette hinzu, so dass die Kuppel der Hagia Sophia wie noch heute von vier Minaretten umgeben war, wie es allein der Moschee der Sultane erlaubt ist. Niemals aber wurde alles Christliche getilgt, zumal sich beide Religionen einige Überlieferungen teilen, dominierend aber wurden in vielen Bereichen arabische Schriftzeichen. Trotzdem: An den Veränderungen, die über die Jahrhunderte an der Ayasofya-Moschee

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