Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
für wenige Stunden. Der niederländische Kapitän Jakob Roggeveen und seine Besatzung befanden sich im Auftrag der Westindischen Gesellschaft auf der Suche nach »Südland«, wie der vermutete Kontinent im Süden der Erdkugel seit langem genannt wurde. Von Kap Hoorn gelangten sie in den Südpazifik und erreichten am Ostersonntag eine unbekannte Insel, vor der sie kurz ankerten – und nannten das Eiland kalendarisch korrekt Osterinsel. Der Kapitän selbst blieb auf dem Schiff, aber ein Teil der Besatzung ging an Land. Darunter war ein junger Deutscher namens Carl Friedrich Behrens, der wie ein anonymer niederländischer Matrose seine Eindrücke später in einer viel gelesenen Reisebeschreibung veröffentlichte. Zuerst durch diese beiden Männer erfuhr Europa von der abgelegenen Insel mit den rätselhaften großen Köpfen. Die Bewohner empfingen die Europäer mit freundlicher Neugier, die Europäer staunten über die riesigen Skulpturen, deren Herstellung und Aufstellung sie den Inselbewohnern nicht recht zutrauten. Denn ihre Kanus waren erkennbar von schlechter Qualität, und die Insel verfügte offenbar über keinerlei größeren Waldbestand, der das Holz zur Herstellung von Gerüsten hätte liefern können, um die Riesenkolosse aufzustellen. Roggeveen schrieb von »einzigartiger Armut und Ödnis«.
Als Nächstes kamen die Spanier: Don Felipe Gonzales de Haedo, der 1770 die Insel San Carlos nannte und zumindest pro forma für Spanien in Besitz nahm. Einige Jahre später erreichte James Cook die Insel, nachdem er mit demselben Ziel wie Roggeveen, den vermuteten Südkontinent zu finden, so weit nach Süden vorgedrungen war wie noch niemand vor ihm. Es war die Fahrt, auf der mit einem reichhaltigen Angebot an vitaminreichem Sauerkraut an Bord dem Skorbut, der gefürchteten Vitaminmangelkrankheit der Seefahrer, der Schrecken genommen wurde. Auf der Rückfahrt gen Norden besuchte Cook verschiedene Pazifikinseln, darunter für zwei Tage die Osterinsel, auf der er alles andere als eine Idylle vorfand: Die Statuen lagen zumeist zerstört herum, zudem schienen es sehr viel weniger Bewohner zu sein, als Roggeveen berichtet hatte, die außerdem verschreckt und versteckt in Höhlen lebten und auf Cooks Leute ziemlich verhungert wirkten. Wir wissen heute, warum sich ihm dieses Bild darbot. Cook fand die Insel einfach nur uninteressant und der Erforschung nicht wert. 1786 schließlich landete im Auftrag des französischen Königs Ludwig XVI . unter Jean-François de La Pérouse eine groß angelegte wissenschaftliche Expedition des gesamten Pazifik auch vor der Osterinsel.
Seither kamen immer wieder Europäer auf die Osterinsel – und vermehrten das dortige Elend und trugen zum Bevölkerungsrückgang bei, weil sie Krankheiten einschleppten, gegen die die ansässige Bevölkerung nicht immun war. Andere Bewohner der Osterinsel wurden als Sklaven und Zwangsarbeiter verschleppt: 1862 / 63 , in den Vereinigten Staaten tobte gerade ein Bürgerkrieg um die Sklavenfrage, verschiffte man anderthalbtausend Menschen, die Hälfte der ohnehin arg dezimierten Bevölkerung, zwangsweise nach Peru. 1872 zählte man nur noch 111 Einwohner auf der Osterinsel. Schließlich wurde die Insel von Chile 1888 annektiert und die Bewohner zur Zwangsarbeit in der nunmehr angesiedelten Schafzucht verpflichtet und erst acht Jahrzehnte später als chilenische Staatsbürger anerkannt. Heute leben die wenigen Tausend Bewohner der Osterinsel vor allem vom Tourismus.
Der Evolutionsbiologe Jared Diamond hat in seinem berühmten Buch Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder untergehen für sein Kapitel über die Osterinsel all die Faktoren über den dramatischen und tragischen Niedergang einer isolierten Inselgesellschaft im Südpazifik zusammengetragen – seiner Analyse folgen aber keineswegs alle Forscherkollegen – und einen Vergleich zur globalen Situation Anfang des 21 . Jahrhunderts angestellt: Ebenso wenig wie die Menschen der Osterinsel vor Jahrhunderten dumme, ignorante Menschen waren, sind wir heute blind und unwissend, wenn es um die drohenden Klimaveränderungen auf dem Planeten, ihre Folgen und ihre Eindämmung geht. Aber so wie sie verschließen wir unsere Augen vor den langfristigen Folgen unseres Tuns – obwohl uns ungleich viel mehr Erkenntnisse zur Verfügung stehen als lediglich die, dass nach dem letzten gefällten Baum nicht notwendigerweise ein neuer nachwächst. Aber so wie für die Menschen der Osterinsel keineErsatzinsel
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