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Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Titel: Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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dort der russische Staatspräsident.
    Wenig sensibel schiebt sich dem heutigen Kremlbesucher ein klobiges architektonisches Relikt aus der Sowjetzeit in den Blick: der Kongresspalast, heute Staatlicher Kremlpalast genannt. Der in alten Publikationen schönfärberisch »Gesellschaftsbau« genannte Koloss wurde 1961 als letztes Kremlgebäude aus Glas und Beton gebaut und brachte seinen Erbauern den geschätzten Leninpreis ein. Gebraucht wurde er für die pompös inszenierten Parteitage der KP d SU . Zwei große Säle boten Platz für viertausendfünfhundert beziehungsweise sechstausend Personen, achthundert weitere Räumlichkeiten ergänzten das Angebot, bequem erreichbar durch vierzehn Rolltreppen und 26 Fahrstühle.

    Die Auflösung der Sowjetunion 1991 , mit der Moskau nur noch Hauptstadt der Russischen Föderation war, veränderte auch den Kreml ein weiteres Mal. Schon seit 1990 , als die Russische Teilrepublik sich für unabhängig erklärt hatte, war die Sowjetführung im Kreml nur mehr geduldet – der Hauptstadtstatus einer Weltmacht hatte sich mit ihrem Zerfall einstweilen ohnehin erledigt. Nun aber musste der letzte Staatschef der U d SSR , Michail Gorbatschow, sein Arbeitszimmer im russischen Machtzentrum für den russischen Präsidenten Boris Jelzin räumen, hoch oben über dem Kreml wurde das rote Sowjetbanner durch die russische Trikolore ersetzt, und sogar der zaristische Doppeladler kehrte zurück.
    Die russisch-orthodoxe Kirche wurde nach Jahrzehnten der Unterdrückung rehabilitiert und erhielt die vier großen Kirchendes Kreml vom Staat rückerstattet. Die Religion sollte helfen, das ideologische Loch zu füllen, das vom Ende der Sowjetunion und des Kommunismus hinterlassen wurde. Heute nehmen ganz selbstverständlich hochrangige Vertreter des Staates wieder an Gottesdiensten der Kremlkirchen teil und stützen sich auf die Kirche. In der Umbruchzeit und unter dem Eindruck, den Weltmachtstatus zu verlieren, wurde die lange russische Geschichte vor allem der Zarenzeit wieder wichtiger – sei es als Identifikationshilfe der Menschen, sei es als Propagandainstrument der Politik. Unter Präsident Putin knüpfte man aber ideell auch wieder an das sowjetische imperiale Erbe an. So ist der Moskauer Kreml heute, in historischer Kulisse und bei zeitgemäßerer politischer Ausrichtung, immer noch das, was er über viele Jahrhunderte und in verschiedenen politischen Systemen war: Ort der Demonstration und Inszenierung von Macht, Entscheidungszentrale des Staates sowie gern besuchter ideeller Mittelpunkt Russlands.

*GROSSE MAUER, CHINA

    Im 21 . Jahrhundert haben Mauern kein sonderlich positives Image. Sie gelten als überholt, unsinnig trennend, gegen das Recht auf Freizügigkeit gerichtet und überhaupt als menschenverachtend. Der Fall der berüchtigten Berliner Mauer, die die deutsche Hauptstadt fast dreißig Jahre lang mitten durch ihr Zentrum teilte und für viele Menschen zur Todesfalle wurde beim Versuch, vom einen Teil der Stadt in den anderen zu gelangen, wird alljährlich freudig begangen. Denn die Berliner Grenzöffnung am 9 . November 1989 war keineswegs nur ein Ereignis deutscher Geschichte, sondern ein globaler Scheidepunkt: Vorher waren schließlich nicht nur Berlin und Deutschland, sondern Europa und die Welt in zwei Systemblöcke geteilt. Das Symbol dieser weltweiten ideologischen Spaltung war und ist die Berliner Mauer. Andere, noch diensthabende Mauern unserer Zeit besitzen kein viel besseres Renommee: Die Mauer, die die palästinensischen Gebiete Israels vom Kernland trennt, gilt nicht ohne Grund als Schandmal der Unmenschlichkeit. Auch die Europäische Union und die Vereinigten Staaten müssen sich wegen ihrer Abschottungsbemühungen in Richtung Süden immer wieder den berechtigten Vorwurf gefallen lassen, eine neue Mauer zwischen Arm und Reich zu errichten. Vergleichsweise harmlos nimmt sich dagegen die gleichwohl irgendwie anachronistische Grenze aus, die auf der Mittelmeerinsel Zypern die Hauptstadt Nikosia in einen griechischen und einen türkischen Teil trennt.
    Neben solchen Negativbeispielen gibt es andere Mauern, die in der geschichtlichen Wertung deutlich besser wegkommen. Beispielsweise die Umfassungsmauern alter Städte, weil die solcherart verdichteten Siedlungen sich damit schützen und einigermaßen ungestört aufblühen konnten. Da fällt weniger stark ins Gewicht, dass auch diese Mauern der Ausgrenzung dienten: gegen alles Unliebsame, von plündernden Angreifernbis zu

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