Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Titel: Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
Vom Netzwerk:
Machtsteigerung zugutekamen.

    Die Vorläufer der Großen Mauer stellten denn auch keine überragende technische und logistische Meisterleistung dar, zumal auch noch kein Gesamtkonzept dahintersteckte und das Ganze Stückwerk blieb. Eine zusammenhängende Grenzbefestigung war auch gar nicht durchsetzbar, denn nicht ohne Grund heißt diese Spätphase der Zhou-Dynastie »Zeit der streitenden Reiche«. Die verschiedenen Territorialstaaten auf chinesischem Boden bekriegten sich gegenseitig und versuchten, sich mit eher einfachen Grenzwällen aus Lehm und Stroh voreinander zu schützen. Aber auch damals schon ging es nicht allein um die Abwehr von Begehrlichkeiten konkurrierender chinesischer Staaten, sondern ebenso um Schutz vor den nördlichen Nachbarn. Die galten den längst sesshaft gewordenen Chinesen als Barbaren, und ihre Eroberungen über die Nordgrenzen der Teilstaaten waren gefürchtet. Diese Gefahr aus dem Norden wurdezu einer Konstante der chinesischen Politik, ob die Eindringlinge nun Xiongnu oder Dschurdschen, Mandschu oder Mongolen hießen. Daher wurden der bauliche Zustand und die militärische Ausstattung der Großen Mauer an der Nordgrenze für die chinesischen Herrscher immer wieder zu einer existenziellen Frage. Gleichzeitig scheinen manchem Kaiser beim Ausbau des Grenzschutzes die Maßstäbe von Vernunft und Menschlichkeit aus dem Blick geraten zu sein – jedenfalls war die Todesrate unter den Arbeitern am Grenzwall zu allen Zeiten erschreckend hoch.
    Diese ersten Arbeiten an der »Großen Mauer« fallen ungefähr in die Zeit nach dem Tod des wichtigsten chinesischen Philosophen Konfuzius, als dessen Schüler seine Lehren in Buchform zusammenstellten. Vielleicht lässt sich vereinfacht sagen, dass sowohl der erste Philosoph Chinas als auch die ersten Baumaßnahmen für die Chinesische Mauer vor demselben Hintergrund stattfanden und von ihm hervorgebracht wurden: unsichere kriegerische Zeiten und der Zerfall der alten, bewährten Ordnung. Konfuzius versuchte dem ethisch und in Anbindung an die »gute alte Zeit« und deren Werte und Ordnungen entgegenzutreten; die Herrscher wollten dem inneren Zerfall wenigstens mit einer Abwehr nach außen begegnen. Aber beides konnte den Zerfall des Zhou-Reiches nicht aufhalten, dessen schwache Könige nicht mehr gegen die immer stärkeren und selbstbewussteren Lokalfürsten ankamen. Aus einem Reich mit einem starken König an der Spitze ihm verpflichteter Vasallen als Kleinfürsten war eine Vielzahl von mehr oder weniger souveränen Teilstaaten geworden, von denen jeder sein eigenes Süppchen kochte und nur allzu oft dem anderen an den Topf wollte.

    Aus der mehr als zwei Jahrhunderte dauernden »Zeit der streitenden Reiche« ging der chinesische Teilstaat Qin als Siegerhervor. Dem ersten Kaiser von China, Qin Shihuangdi, haben spätere konfuzianische Geschichtsschreiber, einigermaßen voreingenommen, gar kein gutes Zeugnis ausgestellt, obwohl der erste chinesische Einheitsstaat durch die mutigen Reformen des neuen Herrschers sich als stark und beständig erweisen sollte und die Einigung Voraussetzung war für den folgenden Aufstieg des Reichs der Mitte. Zur nördlichen Grenzsicherung ließ Qin Shi Huangdi die nicht miteinander verbundenen Teilstücke zur Großen Mauer als Verteidigungswall zusammenfügen – viele Hunderttausend Arbeiter wurden dafür dienstverpflichtet: Soldaten, Bauern, Häftlinge – nicht wenige davon kamen bei der überaus beschwerlichen Arbeit ums Leben. Im Ergebnis reichte die Chinesische Mauer vom heutigen Korea im Osten entlang der Nordgrenze Chinas bis zur heutigen Inneren Mongolei am Gelben Fluss. Auf Teilstücken verlief die Mauer damals weiter nördlich, als wir es heute kennen, denn 214 v. Chr. waren chinesische Truppen weit auf das Gebiet der heutigen Mongolei vorgedrungen.
    Fast ein Jahrzehnt ließ der Erste Kaiser an dem gigantischen, überaus ehrgeizigen Projekt arbeiten, aber allzu viel länger konnte sich seine kurzatmige Dynastie nicht auf dem Thron halten. Denn der offenbar gigantomanisch veranlagte Qin Shihuangdi hatte es gewaltig übertrieben: Der enorm kräftezehrende und Unsummen verschlingende Bau der Großen Mauer war nämlich nicht einmal des Kaisers einziges Großprojekt, er ließ darüber hinaus Tausende Kilometer Straßen und Kanäle bauen, außerdem natürlich großartige Paläste. Und schließlich leistete er sich ein monumentales Grabmal, eins der weltweit größten überhaupt, das erst in den Siebzigerjahren des

Weitere Kostenlose Bücher