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Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Titel: Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Vorsichtsmaßnahme nicht verhindern, dass Feuersbrünste vom alten Heian-kyo so gut wie nichts übrig gelassen haben – allein der kaiserliche Palast brannte mehr als ein Dutzend Mal nieder.

    Die prachtvolle Hofhaltung setzte in der neu errichteten Kaiserstadt schnell eine kulturelle Blüte in Gang, die als »japanische Klassik« gilt – die Wissenschaften, vor allem aber die schönen Künste und literarische Werke, meist von hochgebildeten Hofdamen verfasst, wurden reich gefördert. Die Literatur stand in besonders hohem Ansehen, weil sie dem Prestige der Kaiserin zugute kamen. Eine derart abgeschiedene, müßiggängerische kleine Welt vermochte große Kultur hervorzubringen. Aber nicht nur Kunst und Literatur, auch die Betrachtung der Natur oder die kontemplative nächtliche Mondschau gehörten zu den Lieblingsbeschäftigungen der Hofgesellschaft.
    Allerdings barg die anmutige, überaus verfeinerte hochästhetische Kultur einer schmalen übersensiblen Elite die übliche Gefahr eines vom Land und seinen Menschen isolierten Hofes: Die Bodenhaftung ging nach und nach verloren, und der Realitätsverlust zog politische Gefahren nach sich. In den Provinzen des Landes wurden Staatsbeamte und Gouverneure immer mächtiger und schließlich der Kaiserherrschaft gefährlich. Im 12 . Jahrhundert entwickelte sich Japan zu einem Feudalstaat, in dem mächtige Samurai-Familien mit reichem Landbesitz die Macht des Kaisers erheblich beschränkten und untereinanderum Einfluss auf den Tenno rangen, darunter vor allem die Familien der Heike und der Genji. Schließlich waren es die Shogune als Militärherrscher, die Japan von ihrer Machtzentrale Kamakura aus regierten, den Kaisern wurden nur mehr repräsentative Aufgaben zugestanden.
    Im 14 . Jahrhundert verlegten die Shogune ihre Militärverwaltung in die Kaiserstadt Kyoto, aber das Land blieb weiterhin gezeichnet von Bürgerkriegen, chaotischen Zuständen und dem erbitterten Kampf mächtiger Familien um die Vorherrschaft. Mehrmals ging dabei Kyoto in Flammen auf, so im blutigen Onin-Krieg des 15 . Jahrhunderts, als die Stadt fast vollständig zerstört wurde. Doch aus den jahrhundertelangen Wirren ging schließlich ein geeintes Japan hervor. In dieser Zeit des Einigungsprozesses kamen Mitte des 16 . Jahrhunderts die ersten Europäer nach Japan, zunächst portugiesische Kaufleute, aber in ihrem Gefolge alsbald christliche Missionare. Die Einheimischen nannten sie die »südlichen Barbaren« – und sie brachten unter anderem neuartige Feuerwaffen mit, die nicht nur mächtig beeindruckten, sondern den rivalisierenden Parteien einen wichtigen militärischen Vorteil brachten. 1576 wurde die erste Kirche Kyotos errichtet.

    Kaiser Hideyoshi, ein großer Staatsmann und unerhörterweise der Sohn einfacher Bauersleute, führte das Land wieder in ruhigeres Fahrwasser. Ab 1585 ließ er die Hauptstadt wiederaufbauen, um mit ihrem Glanz zum eigenen beizutragen – der einfache Aufsteiger sah Anlass, dem Wiederaufstieg des Landes auch baulich Ausdruck zu verleihen. Hideyoshi ließ den Kaiserpalast wiederherstellen und verfügte den Umzug von über einhundert Tempeln in ausgewiesene Gegenden der Stadt. Daneben erhielt die Stadt neue Straßen und Brücken, neue Tempel und Häuser, Befestigungsanlagen sowie eine riesige Buddha-Statue, für dieallein 20 000 Arbeiter zwangsverpflichtet wurden. Das Projekt Buddha-Statue diente zudem der Entwaffnung potenzieller Aufrührer, denn aus Schwertern sollten zwar keine Pflugscharen, wohl aber besagte Statue werden.
    Für Kyoto bedeutete das Engagement des Kaisers ein Wiederaufblühen nach der langen Zeit der Wirren, von denen die Stadt arg gezeichnet zurückgelassen worden war. Aber nicht nur das äußere Erscheinungsbild glich nach und nach den alten Zeiten, auch die Kultur erhielt wieder alten Glanz und Stellenwert. Der Kaiser einfacher Herkunft suchte die Anerkennung des noblen, kultivierten Kyoto und seiner Eliten. Die neue Hauptstadt wurde überraschend schnell fertig, das Reich jedoch, das Hideyoshi im Sinn hatte, blieb unverwirklicht. Er hatte sich zum Herrscher eines Großteils Asiens aufschwingen wollen und damit, wie andere Herrscherkollegen vor und nach ihm, entschieden zu hoch gegriffen.

    In der Edo-Periode vom frühen 17 . bis Mitte des 19 . Jahrhunderts war sich das feudale Japan zweieinhalb Jahrhunderte selbst genug. Nach innen wurde das Land von Militärregenten, den Shogunen, mit harter Hand regiert, manche meinen regelrecht totalitär. Die

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