Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
Seitenlänge, an deren vier Ecken schlanke minarettartige Türme errichtet wurden. Im Kern des zugleich gewaltigen, streng symmetrisch angelegten und doch höchst anmutigen achteckigen Baus aus weißem Marmor befinden sich die Grabmäler Shah Jahans und seiner Frau Mumtaz Mahal. Die Fassade ist als Verweis aufs Paradies mit floralen Ornamenten verschwenderisch geschmückt und zeigt schwarz auf weißem Marmor kalligraphisch eindrucksvolle arabische Schriftzeichen. Das Bilderverbot des Islams führte dazu, dassvor allem Koranzitate zu baulichen Schmuckelementen muslimischer Kunst wurden. Der Taj Mahal besitzt mehr Inschriften als jedes andere muslimische Bauwerk, außer am Mausoleum selbst auch am Großen Tor und der Moschee: im Ganzen 25 Koranzitate, darunter vierzehn vollständige Suren.
Die Grabkammer, ein abermals achteckiger großer Saal direkt unter der Kuppel, bildet Ziel und Höhepunkt des Besuchs, und hier wurde sogar die Akustik in den Dienst der Ewigkeit gestellt: Kein anderes Gebäude der Welt weist ein derart lang anhaltendes Echo auf. Die Kuppel selbst ist Sinnbild für das himmlische Paradies, in das Mumtaz Mahal eingegangen ist. Hinter dem Mausoleum schließlich bietet eine großzügige Terrasse einen weiten Blick auf den Fluss, der allerdings heute sehr viel weniger Wasser führt als zu Zeiten der indischen Großmoguln.
Nachdem Aurangzeb seinen Vater 1658 im Roten Fort von Agra festgesetzt und die Regierung übernommen hatte, befasste sich der kaiserliche Gefangene mit frommen Dingen, den Taj Mahal stets in Sichtweite. Als er seinen Tod nahen spürte, traf er Vorkehrungen für sein Begräbnis, das allerdings auf Befehl des Sohnes nicht ganz so prachtvoll ausfallen durfte wie geplant. Der Sarg aus Sandelholz wurde ohne größere Zeremonie vom Roten Fort mit einem Boot zum Taj Mahal gebracht, wo man den verstorbenen Großmogul neben seiner geliebten Frau beisetzte.
Unter Großmogul Aurangzeb erreichte das Mogulreich schließlich seine größte Ausdehnung, was gleichzeitig die Herrschaft enorm erschwerte. Aurangzeb gelang hinsichtlich der Verwaltung der riesigen Ländereien nicht, was seinen Vorfahren gelungen war, und das Reich der Großmoguln begann zu bröckeln. Hinzu kam, dass der strenge Muslim die religiöse Vielfalt seines Volkes nicht mehr im selben Maße achtete, wie es die früheren Moguln getan hatten. Unter seinen Nachfolgern löstesich das Reich im 18 . Jahrhundert allmählich auf und wandelte sich zu einem locker gefügten Staatenbund. Als solches war es leichte Beute für die kolonialen Begehrlichkeiten Englands.
Von der Erhabenheit und Eleganz, die der Taj Mahal ausstrahlt, sind Besucher seit Jahrhunderten tief beeindruckt. Bereits der französische Forschungsreisende François Bernier, der kurz nach der Entmachtung Shah Jahans nach Indien kam und dort zehn Jahre verbrachte, äußerte, der Taj Mahal habe eher den Weltwunderstatus verdient als die unförmigen ägyptischen Pyramiden. Ins Reich der Legende gehört allerdings der Bericht über ein geplantes zweites Mausoleum, das Shah Jahan auf der gegenüberliegenden Flussseite aus schwarzem Marmor habe errichten lassen wollen, um sich selbst dort bestatten zu lassen. Der Bau sei aber nicht sonderlich weit gediehen. Diese Fehlinformation stammt von einem anderen französischen Indienreisenden namens Jean-Baptiste Tavernier, der kurz vor dem Tod Shah Jahans 1665 Agra besuchte. Die hartnäckige Legende führte noch in den 1990 er-Jahren zu ergebnislosen Ausgrabungen an der Yamuna. Angesichts der ergreifenden Liebesgeschichte Shah Jahans und seiner Frau Mumtaz Mahal ist es wohl auch passender, dass der Mogul an der Seite seiner Frau beigesetzt wurde – auch wenn das die strenge Symmetrie im Allerheiligsten der Anlage ein wenig beeinträchtigt.
KIYOMIZU-DERA, KYOTO/JAPAN
Die asiatischen Kulturen gelten als ungemein traditionsbewusst, was nicht zuletzt mit den konfuzianischen Vorstellungen und ihrem Respekt vor allem Traditionellen zu tun hat. Dieser Respekt reicht bis in die heutige Zeit und gilt gerade für Japan, die dem Festland von Asien vorgelagerte Inselgruppe mit ihren vier Haupt- und vielen Tausend kleineren Nebeninseln. Im Land der aufgehenden Sonne werden Traditionen gepflegt und gelebt, schon weil sie identitätsstiftend sind, eine soziale Rolle erfüllen und dem überhasteten modernen Leben als beruhigender Gegenpol eine zeitlich-kulturelle Tiefe verleihen. Gerade in der alten kaiserlichen Residenzstadt Kyoto, Heimstätte
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