Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
Westens, dem beginnenden Wirtschaftsboom und einer rasanten Modernisierung vollauf beschäftigt. Mitten im zupackenden Aktionismus für ein solches Projekt in idealistische Schwärmerei zu verfallen war da wohl etwas viel verlangt. Und wem genau sollte man eigentlich eine Leuchtfackel entgegenhalten? Zu dieser Zeit war die Einwanderung noch Sache der Einzelstaaten – die US -Regierung zog die Zuständigkeit viel später an sich und öffnete erst 1892 als zentrales Durchlauflager für US -Immigranten die künstlich vergrößerte Insel Ellis Island im New Yorker Hafen. Der Standort New York war also weder zwingend noch zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich.
In Frankreich erhielt inzwischen das Aussehen des Geschenks erste Konturen. Zurückgekehrt nach Paris, hatte Bartholdi in seinem Pariser Atelier 1875 mit den Entwürfen für die Statue begonnen. Im Hinterkopf den Koloss von Rhodos, der antiken Quellen zufolge mehr als 30 Meter hoch war, entwarf der Franzose eine weibliche Statue mit einer Höhe von schließlich 46 Metern. Seit der Antike wird die Freiheit als Göttin personifiziert, und bereits Münzen aus der Zeit der frühen Republik USA zeigen, eingerahmt von den dreizehn Sternen für die Bundesstaaten, einen Frauenkopf als Freiheitssymbol.
Angefangen hatte Bartholdi mit einer kleinen Tonstatuette von 52 Zentimetern Länge, die er auf seiner New-York-Reise bereits bei sich gehabt hatte. Nun schuf der Bildhauer nach und nach immer größere Modelle, deren letztes von elf Metern Höhe Grundlage der Berechnungen für die herzustellenden, viermal größeren Einzelteile des Kupferblechkleids wurde. Das Skelett der Statue konstruierte ein Ingenieur der Firma Gustave Eiffels, der später für den Eiffelturm verantwortlich zeichnen sollte: Maurice Koechlin. Er schlug dafür vier Stützen mit tief ins Fundament reichenden Füßen vor, zwischen denen eine Treppe nach oben führen sollte. Auf diesen Stützen ruht das innere Korsett der Statue, auf dem jede einzelne Kupferplattenhülle unabhängig befestigt ist. Der aufgerichtete Arm der Dame namens Freiheit sollte eine weitere Treppe erhalten, damit Besucher bis in die Fackel gelangen konnten.
Noch in den USA , hatte sich Bartholdi von der Skepsis der amerikanischen Freunde nicht entmutigen lassen und schließlich Partner gefunden, die in den USA das taten, worum sich Bartholdi und seine Mitstreiter in Frankreich kümmerten: Fundraising. Die Franzosen sollten sich für die Idee eines Geschenks an die Vereinigten Staaten begeistern und genügend Geld spenden, um die Statue zu finanzieren. Und die Amerikaner sollten vor lauter Freude über das Geschenk von Übersee Spenden für ein tragfähiges Fundament nebst Sockel tätigen. Zu der Kampagne gehörten in großer Zahl die üblichen Fundraising-Events, aber auch spektakuläre Aktionen: Auf der Weltausstellung von 1876 in Philadelphia konnten die Besucher lange vor Fertigstellung einen Eindruck von der Monumentalität des designierten Geschenks bekommen. Hand und Fackel der Statue wurden in Originalgröße ausgestellt und eifrig bestaunt und fotografiert. Jedoch konnte das nur leidlich darüber hinwegtrösten, dass zum Jubiläumsjahr der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung die Freiheitsstatue nicht wie geplant im Hafen von New York die einlaufenden Schiffe in Empfang nahm. 1878 wurde auf der Pariser Weltausstellung immerhin der Kopf der Statue ausgestellt. Nur war auf beiden Seiten des Atlantiks das nötige Geld für die Statue noch nicht zusammengekommen.
Das monetäre Problem sollte Frankreich schneller bewältigen, nämlich bereits 1882 . Zwei Jahre später stand die Freiheitsstatue, probehalber zusammenmontiert, in Bartholdis Fertigungswerkstatt im 17 . Arrondissement. Unübersehbar, denn sie ragte weit über die Dächer der Stadt in den Himmel und entzückte dieFranzosen in ihrer Empfänglichkeit für Grandesse. In den USA allerdings fehlten zu diesem Zeitpunkt immer noch hunderttausend Dollar für den Bau des Fundaments. Die reichen Amerikaner lehnten Spenden meist pikiert ab, weil sie das bombastische Projekt nicht recht mit hoher Kunst in Verbindung bringen wollten. Andere sahen das Ganze als ein New Yorker, aber kein nationales Projekt an. Wieder andere hatten lange bezweifelt, das gigantische Geschenk würde überhaupt fertig werden. So wie die Dinge lagen, würden die Vereinigten Staaten das Geschenk der Franzosen ablehnen müssen, weil Fundament und Podest auf Bedloe’s Island über Vorarbeiten nicht
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