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Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Titel: Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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großzügig schätzen lässt sich die Zahl der massenhaft industriell hergestellten Freiheitsstatuen – feilgeboten als Souvenirs und als Symbol der USA . Eine symbolische Rolle spielen die über alle US -Bundesstaaten verstreuten Kopien in Paul Austers Roman Leviathan – die fiktive Biographie eines Schriftstellers, dessen erstes Buch The New Colossus heißt. Durch die unglückliche Verkettung von Zufällen und das Leiden am eigenen, wie alle anderen keineswegs perfekten Land wird der Mann zum Terroristen und jagt im ganzen Land Kopien der Freiheitsstatue in die Luft, bis er bei der Herstellung einer Bombe selbst getötet wird.

EIFFELTURM, PARIS/FRANKREICH

    Türme gehören seit Menschengedenken zu den Lieblingsprojekten von Bauherren. Zuvorderst hat das weniger mit ihrer sonstigen Gestalt zu tun als mit ihrer Höhe. Türme können Verschiedenes sein: überheblicher Griff zum Himmel oder demütige Lobpreisung Gottes; funktionaler Hochbau, Ausweis technischen Könnens oder eitle Selbstdarstellung, die sich nicht selten die Abwertung als Phallussymbol gefallen lassen muss. Die Mutter aller Türme, der zu Babylon, ist in der abendländischen Tradition ein Symbol für menschliche Schaffenskraft und maßlose Überheblichkeit gleichermaßen – sollte doch ein Turm gebaut werden, »dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen«. Das Vorhaben zog göttliche Strafe nach sich: Laut erstem Buch Mose der hebräischen Bibel missfiel dem Herrn, was er sah, weil den Menschen fortan keine Grenzen mehr gesetzt waren. Also verwirrte er ihre Sprache, und sie zerstreuten sich in alle Welt, weil sie einander nicht mehr verstanden.
    Die Menschheit hörte aber nicht auf, Türme zu bauen; und je größer die technischen Fortschritte, desto weiter wuchsen sie in den Himmel. Derzeit höchster ist der Anfang 2010 eröffnete Burj Khalifa im Emirat Dubai auf der Arabischen Halbinsel, der der Stadt ein Zentrum geben soll. Mit himmelstürmenden 828 Metern Höhe – an der Spitze des Turmes ist es acht Grad kälter als vor dem Haupteingang – und 189 Stockwerken (sowie 54 Aufzügen) ist der während seiner Errichtung als Burj Dubai bekannte Bau bei mutmaßlich 1 , 8 Milliarden US -Dollar Kosten gleichzeitig auch das höchste Gebäude der Welt und noch aus einhundert Kilometern sichtbar. Der internationalen Konkurrenz um solche Prestigebauten ist geschuldet, dass die endgültige Höhe und Zahl der Stockwerke möglichst lange geheim gehalten wurden. Ein wenig könnte man den Bau in den Vereinigten Arabischen Emiraten als umgekehrten Turm zu Babelansehen: Aus aller Welt nämlich kamen die Firmen und das Material für den Burj Khalifa herbei, statt hinterher aus göttlichem Zorn in alle Richtungen zerstreut zu werden wie beim biblischen Vorbild. Fürs Fundament sorgten Deutsche, der Entwurf stammt aus den USA , Unternehmer aus Ägypten und Südkorea ließen indische Bauarbeiter in die Höhe bauen.
    Bis heute dienen Türme der Demonstration technologischer und wirtschaftlicher Stärke eines Landes sowie seiner Dynamik und Schaffenskraft – das höchste Wort in Sachen Turmbau ist auch mit dem Burj Khalifa wohl kaum für alle Zeiten gesprochen. Allerdings sorgten wirtschaftliche Schwierigkeiten weltweit dafür, dass die Planungen für weitere spektakuläre Türme zeitlich gestreckt oder einstweilen verschoben wurden – sei es in Moskau oder in Chicago, in Saudi-Arabien oder in Kuwait. Insofern bilden solche ungebauten Türme vorerst die wirtschaftlichen Probleme ihrer Bauherren ab, während sie doch eigentlich für das Gegenteil projektiert worden waren.

    Der nach heutigen Maßstäben mit dreihundert Metern Höhe (mit Antenne sind es fast 325 Meter) geradezu niedliche Pariser Eiffelturm wurde gebaut, während die Bewohner Westeuropas gerade eine rasante Entwicklung erlebten. Die zweite Hälfte des 19 . Jahrhunderts ließ den Bewohnern namentlich der europäischen Hauptstädte regelrecht schwindelig werden, so schnell veränderten sich das Bild der Städte und das Warenangebot, beschleunigten sich Alltags- und Arbeitsleben, schrumpften Entfernungen durch Eisenbahnverbindungen unversehens zusammen, prägten Fabrikschlote den Horizont, prasselten Informationen aus aller Welt auf die Zeitgenossen ein. Dieser mächtige Schub der bis dahin dynamischsten Phase der Industrialisierung gilt als kennzeichnend für das europäische 19 . Jahrhundert und wurde schon damals überwiegend als einschneidender Umbruch wahrgenommen. Im

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