Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
hinausgekommen waren. Andere Städte boten bereits an, in die Bresche zu springen: darunter die alte Hauptstadt Philadelphia, die Einwandererstadt San Francisco am anderen Ende des Landes oder das ehrwürdige Boston, für viele der Geburtsort der amerikanischen Unabhängigkeit. Sie versprachen, sich um die nötigen Arbeiten an einem Standort zu kümmern, sollte der in ihre Stadt verlegt werden.
Schließlich sorgte ein Zeitungsverleger namens Joseph Pulitzer doch noch dafür, dass die New Yorker ihre zögerliche Haltung aufgaben und insbesondere die kleinen Leute ihren schmalen Geldbeutel öffneten. Nachdem Pulitzer jahrelang ohne größeren Erfolg für das Projekt geworben hatte, appellierte er im Frühling 1885 an den Stolz der New Yorker und versprach jedem Spender, seinen Namen im Boulevardblättchen New York World abzudrucken. Zumal inzwischen das Geschenk am 4 . Juli 1884 von der Union Franco-Américaine offiziell an den US -Botschafter übergeben worden war und in Paris auf seine Verschiffung nach Amerika wartete, überzeugte Pulitzer in etwas mehr als einem Monat über hundertzwanzigtausend Leser, so dass die fehlenden hunderttausend Dollar mit einem Mal zusammenkamen. Und plötzlich ging auch die Fertigstellung von Fundament und Sockel ganz schnell vonstatten.
In Paris wurde die Statue in Einzelteile zerlegt und in 214 Kisten verpackt, von denen einige mehrere Tonnen schwer waren. Per Zug ging es nach Rouen und dann weiter auf dem Schiff Isère in die Neue Welt. Als schließlich die Statue im Juni 1885 in New York eintraf, am 28 . Oktober des Folgejahres eingeweiht wurde und ihre Fackel der Freiheit zum ersten Mal erleuchtete, konnte der Begeisterung nicht einmal das ausnehmend schlechte Wetter Abbruch tun. Das Licht erstrahlte allerdings nicht so hell wie erhofft, und das sollte auch für eine Weile ein Problem bleiben.
Die eingangs zitierte Inschrift erhielt die Freiheitsstatue erst 1903 – das im Ganzen vierzehnzeilige Gedicht The New Colossus hatte bereits zwanzig Jahre zuvor, als Beitrag zur Finanzierungskampagne für den Bau des Sockels, die New Yorker Dichterin Emma Lazarus verfasst. Als die Statue schließlich eingeweiht wurde, war es bereits in Vergessenheit geraten. Das Sonett nimmt Bezug auf das antike Vorbild des Koloss von Rhodos, den Bartholdi bei der Idee für eine imposante Statue im Sinn hatte. Aber vor allem stellt es die Beziehung zu den Einwanderern her, denen die Freiheitsstatue als Leuchtturm und Symbol erscheinen musste, wenn sie bei ihrer Ankunft in New York, vor der Landung auf Ellis Island, die riesige Statue passierten. Zahllose Zeichnungen brachten müde Einwanderer und das riesige Denkmal alsbald zusammen. Dass es der engen Verbundenheit Frankreichs mit den Vereinigten Staaten entsprang, darauf muss hingegen immer wieder ausdrücklich hingewiesen werden.
Gleichzeitig wurde die Freiheitsstatue aber zu einem US -amerikanischen Nationalsymbol, so dass bereits 1917 anlässlich des Eintritts der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg die Regierung mit Lady Liberty zur Zeichnung von Kriegsanleihen aufrufen konnte: Unter einer resolut dreinschauenden Dame, die mit dem Finger auf den Betrachter zeigt und in der anderen unübersehbar die Fackel der Freiheit hochhält, stehen die Worte: Kauf DU eine Kriegsanleihe, weil sonst ICH zugrunde gehe . Ein Jahr später warb ein weiteres Plakat für Kriegsanleihen, auf dem die Freiheitsstatue vor der grausigen Kulisse der brennenden Stadt New York steht, die von feindlichen Bombern und Kriegsschiffen angegriffen wird. Als Nationalsymbol gehörte die Freiheitsstatue nach den Anschlägen des 11 . September 2001 zu den als gefährdet eingestuften Bauwerken und Denkmälern. Fast drei Jahre lang blieb das Monument nach Nine-Eleven geschlossen, der Zugang ins Innere der Statue ist erst seit dem US -Unabhängigkeitstag 2009 wieder möglich.
Wohl kaum eine Statue ist bekannter als die New Yorker Freiheitsstatue, und keine wurde häufiger kopiert (und karikiert) als sie. Die erste Kopie war ein Geschenk dankbarer Amerikaner an die Einwohner von Paris – in den 1880 er-Jahren als Entschädigung dafür gedacht, dass Bartholdis Statue Paris verlassen hatte. Diese Mutter aller Kopien steht noch heute auf der Pariser Île des Cygnes. Doch zahllose weitere sollten folgen, allein jeder US -Bundesstaat hat mindestens eine Kopie auf seinem Territorium, einige sogar weit über zwanzig. Wohl in die Tausende gehen die Repliken weltweit – und nur
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