Die Neunte Gewalt
immer. Doch das spielt keine Rolle mehr, denn Sie werden nicht dorthin zurückkehren.«
»Was?«
»Zumindest nicht in der nächsten Zeit. Sie werden Ihren Sohn nehmen, Sir, und mit ihm untertauchen.«
»Aber ich bin nicht darauf vorbereitet, nicht …«
»Genau darauf kommt es an, Dr. Hanley. Sie werden irgendwo hingehen, wo niemand Sie kennt. Sie werden dort drei oder vier Wochen bleiben. Benutzen Sie Mittelsmänner, um Ihre Frau zu benachrichtigen. Holen Sie sie zu sich. Sofort. Sie drei müssen verschwinden, vielleicht für immer.«
»Mein Gott …«
»Es tut mir leid, Dr. Hanley, aber es geht nicht anders. Man hat versucht, Ihren Sohn zu töten, und man wird versuchen, Sie zu töten. Und nun werden Sie mir den Grund dafür verraten.«
Lyle Hanley erstarrte.
»Meine Vorgesetzten haben mir gesagt, Christopher sei von Arabern entführt worden, weil Sie für Aramco arbeiten«, fuhr Hedda fort. »Doch Christopher hat mir gesagt, daß Sie Chemiker sind, Fachmann für organische Chemie, und ich weiß mittlerweile, daß diese Entführung von meinen eigenen Leuten arrangiert wurde. Diese Leute haben vorgestern versucht, mich zu töten, Dr. Hanley. Sie haben versucht, Ihren Sohn zu töten.«
»Diese Leute haben mir ihr Wort gegeben!« Hanley hatte die Stimme soweit gehoben, daß man ihnen aus den Buden, an denen sie vorbeigingen, Blicke zuwarf. »Mein Sohn sollte unverletzt zurückgebracht werden, sobald meine Rolle beendet war. Man hat es mir hoch und heilig versprochen.«
»Ihre Rolle worin?«
»Sie haben sich an mich gewandt wegen meiner Arbeit mit toxischen Substanzen, die hauptsächlich in der Landwirtschaft eingesetzt werden.«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich habe mich den Großteil meiner Karriere damit beschäftigt, Pestizide zu entwickeln, die auf Pflanzen und Saatgut haften, um über einen langen Zeitraum hinweg Insekten und Parasiten abzutöten. An sich ist das nichts Neues. Neu war bei meinen Entwicklungen jedoch, daß es sich um transdermale Gifte handelt.«
Hedda sah ihn fragend an.
»Das heißt, daß der toxische Bestandteil durch die Haut oder Außenhülle aufgenommen wird«, erklärte Hanley. »In allen anderen Fällen mußten die Pestizide entweder eingeatmet oder von dem Schädling verzehrt werden. Transdermal bedeutet, daß lediglich eine einfache Berührung erforderlich ist, um den gewünschten Effekt zu erzielen.«
»Den Tod.«
»Ja.«
»Und jemand hat Ihren Sohn entführt, um ihn gegen diese Formel austauschen zu können?«
»Nein, nicht genau.«
»Wie war es dann?«
»Sie wollten ein transdermales Toxin haben, das bei Menschen wirkt.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Hedda wieder.
»Das Prinzip ist der Medizin schon seit geraumer Zeit bekannt. Nehmen Sie zum Beispiel gewisse Pflaster, die ihre Inhaltsstoffe nach und nach durch die Haut des Patienten abgeben. Sie wollten ein Gift haben, das ganz ähnlich funktioniert, das durch bloßen Hautkontakt töten kann.«
»Und Sie haben es ihnen gegeben?«
»Was für eine Wahl hatte ich denn? Sie hatten meinen Sohn. Sie hatten Christopher. Ja, ich habe es ihnen gegeben. Es handelte sich lediglich um eine etwas kompliziertere Weiterentwicklung eines meiner Pestizide.«
»Aber genauso tödlich.«
»Zumindest genauso. Wahrscheinlich noch tödlicher.«
»Dann haben Sie es tatsächlich hergestellt?«
Hanley nickte. »Und die Herstellung beaufsichtigt. Es handelt sich um eine Flüssigkeit, die ich TD-13 nannte. TD für transdermal und dreizehn, weil ich so viele Versuche benötigte, um es zu entwickeln. Ich habe mehrere Monate daran gearbeitet, und diese Zeit war die reine Hölle für mich. Denn sie hatten ja Christopher und haben mir immer wieder gedroht, ihn zu töten. Gelegentlich bekam ich einen Brief oder ein Tonband von ihm.«
»Wer waren ›sie‹?«
Hanley schnaubte. »Warum fragen Sie mich das? Sie haben doch gesagt, Ihre Leute hätten meinen Sohn entführt.«
»Einmal angenommen, sie waren es … wie könnten sie dieses Gift einsetzen?«
»Die von mir hergestellte Menge des Toxins reicht nicht aus, um in wirklich großem Maßstab Schaden anrichten zu können. Ich meine, wir sprechen von einem Stoff, der beträchtliche Beschränkungen aufweist. Er kann nicht von einem Menschen auf den nächsten weitergegeben werden, denn es handelt sich ja nicht um ein Bakterium oder einen Virus. Er kann nur durch direkten Kontakt übertragen werden.«
Hedda versuchte, diesen Gedankengang weiterzutreiben. »Und was, wenn er bei einem
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