Die Neunte Gewalt
etwas vor und sorgen dafür, daß es geschieht. Die neunte Gewalt würde die Welt zu der ihren machen.«
Kimberlain bekam eine Gänsehaut. »Hat er auch gesagt, wie?«
»Ich glaube, er wußte es nicht. Noch nicht.«
»Noch nicht?«
Alle Farbe war aus Dr. Fields Gesicht gewichen. »Ich stand ihm nahe, Mr. Kimberlain, näher als sonst jemand an dieser Universität. Eine Woche bevor er die Studentin umbrachte, bat er mich, Berechnungen darüber anzustellen, wie lange ein betäubtes Objekt bei einer Sektion im Verhältnis zu einem unbetäubten leben würde.«
»Eine Überlegung …«
»… von sehr vielen. Doch erst am letzten Tag begriff ich, daß er jede einzelne davon verwirklicht hatte.«
Wie benommen ging Kimberlain zu dem Parkplatz zurück, auf dem er seinen Pathfinder abgestellt hatte. In seinem Geist schwammen noch Dr. Ryan Fields' Worte, und er verglich sie mit denen Winston Peets.
Indem du den Sinn findest, die Wahrheit, weshalb er sich in ›The Locks‹ sperren ließ … und wie und weshalb er wieder herausgekommen ist …
Die neunte Gewalt, das neunte Reich … eine Welt, die den Verrückten und den Verbrechern gehörte, mit dem verrücktesten von allen am Ruder. Der Fährmann konnte sich genau vorstellen, wie Leeds darauf hinplante, für dieses Ziel lebte. Und das, obwohl er hier nur ein Teil des Bildes gesehen hatte, und überdies nur ein sehr kleines.
Er erreichte den Pathfinder und öffnete die Fahrertür. Die Schatten des Rohbaus tanzten auf der Straße, dorthin geworfen von den Straßenlampen, die ihnen auch die Illusion von Bewegung verliehen. Die schweren Bagger und Bulldozer auf der anderen Straßenseite wirkten wie große gelbe Dinosaurier, die nur darauf warteten, erweckt zu werden. Kimberlain stieg auf den Fahrersitz, zog die Tür zu und steckte den Schlüssel ins Zündschloß.
Im Rückspiegel tauchte ein gewaltiger Schatten auf und warnte den Fährmann einen Sekundenbruchteil vor dem Aufprall der sich rasend schnell senkenden Räumschaufel. Ihm blieb nur noch Zeit, sich unter das Armaturenbrett zu werfen, dann ließ ein heftiger Schlag den Wagen erdröhnen. Das gesamte Verdeck des Pathfinders riß auf und verbog sich unter dem Gewicht der Schaufel. Das Fahrzeug schwankte auf seinen Rädern, und Kimberlain spürte, wie seine Zähne aufeinanderschlugen.
Er wollte nach seiner Waffe greifen, als eine Kugelsalve in den Pathfinder einschlug. Glas zersplitterte, und Metall gab nach. Die Geschosse zerrissen den Stahl des sargengen Führerhauses. Kimberlains rechte Hand fuhr unter die Bodenmatte, und endlich fand er den dort verborgenen Hebel. Er schob ihn ganz nach rechts und zerrte dann heftig daran, während weiterhin Kugeln in den Pathfinder einschlugen. Der Winkel, in dem er sich niedergekauert hatte, drohte seine Anstrengung scheitern zu lassen, doch endlich glitt die verborgene Tür auf, und ein Fluchtloch öffnete sich in die Dunkelheit.
Captain Seven hatte ihm geholfen, die Bodenluke in den Pathfinder einzubauen und den tiefsten Teil des Fahrzeugrahmens mit zusätzlichen zweieinhalb Zentimetern galvanisierten Stahls zu verstärken. Er hatte nie damit gerechnet, jemals eine der beiden Verbesserungen zu brauchen, und hatte sie bis zum heutigen Tag auch nicht gebraucht. Es handelte sich dabei einfach um zwei weitere Vorsichtsmaßnahmen unter vielen.
Doch diese beiden hatten sich nun mehr als nur bezahlt gemacht.
Während die Salven aus den Schnellfeuergewehren weiterhin den oberen Teil des Fahrzeugrahmens zerfetzten, stieß Kimberlain sich mit den Beinen ab und zwängte seinen Körper durch das Loch im Boden. Die Nacht und die Konzentration der Schützen auf ihre Waffen würden ihm ein Mindestmaß an Deckung geben. Es waren insgesamt drei Schützen, einer auf der Fahrerseite des Pathfinders, einer vor und der dritte hinter dem Wagen. Damit blieb ihm die Beifahrerseite, hinter der sich der Bürgersteig und der Maschendrahtzaun der Baustelle befanden. Er hatte kaum Handlungsspielraum, benötigte ihn jedoch auch nicht; er hatte sich die Positionen der Schützen bereits eingeprägt.
Kimberlain tauchte mit dem Kopf zuerst durch das Loch. Schnell zog er die Arme nach und stützte sich ab, während dann auch die Beine hinausglitten, er sich zum Bürgersteig zog und unter dem Wagen hervorkam.
Mit zusammengedrücktem Dach bot der Pathfinder ihm keine Deckung, sobald er sich erst erhoben hatte. Er mußte schießen, das Feuer beibehalten und darauf vertrauen, daß die Überraschung ihm
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