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Die Neunte Gewalt

Titel: Die Neunte Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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Einchecken schnell und problemlos vor sich ging. Ein Page brachte sie und Christopher direkt auf ein abgeschieden gelegenes Zimmer in der sechsten Etage, ohne daß sie sich an den Portier wenden mußte. In Doha war Diskretion alles.
    Der Nachmittag wurde zum Abend, und ihr gelang es, ein paar Mal kurz einzuschlafen, wonach sie sich jedesmal nur noch müder fühlte. Sie war sehr weit gekommen und wußte, daß sie und der Junge in Sicherheit waren. Doch gleichermaßen steckten sie auch in der Falle. Doha bot zwar Schutz, aber keine bequemen Fluchtmöglichkeiten.
    »Können Sie nicht einfach meinen Vater anrufen?« fragte der Junge.
    »Man wird ihn beobachten und abhören.«
    Er zögerte. »Die Männer auf der Brücke … Sie haben mit ihnen zusammengearbeitet.«
    »Ja.«
    »Aber sie haben versucht, uns zu töten.«
    »Und sie werden es noch mal versuchen, wenn wir ihnen die Gelegenheit dazu bieten.«
    »Es waren so viele.« Er seufzte.
    »Jetzt sind es weniger«, erwiderte Hedda und dachte an die drei Männer, die sie in der vergangenen Nacht in dem Wald ausgeschaltet hatte. Sie wollte es ihm erklären, konnte es jedoch nicht, ohne ihn nur noch mehr zu beunruhigen.
    In seinen Augen standen wieder Tränen. »Aber wie kann mein Vater kommen und uns holen, wenn Sie ihn nicht anrufen können?«
    »Es gibt eine Möglichkeit«, versicherte sie ihm. »Es gibt eine Möglichkeit.«
    Hedda verfaßte den Brief überaus sorgfältig und erstellte ein halbes Dutzend Entwürfe, bevor sie glaubte, die passenden Formulierungen gefunden zu haben. Es war nicht möglich, alles zu sagen. Der Trick bestand darin, genug zu sagen.
    DR. HANLEY ,
    ICH HABE CHRISTOPHER BEI MIR, UND ER IST IN SICHERHEIT. MITTLERWEILE WIRD IHNEN JEMAND GESAGT HABEN, ER SEI TOT. DAS IST NICHT WAHR. ER SITZT NEBEN MIR UND SAGT, ER HOFFT, SIE HÄTTEN FLEISSIG BACKGAMMON GEÜBT. ICH HABE DEN AUFTRAG BEKOMMEN, IHN AUS DER GEWALT SEINER ENTFÜHRER ZU BEFREIEN, DOCH MEINE VORGESETZTEN HABEN MICH VERRATEN. UND IHR SOHN STECKTE MITTENDRIN. ICH MÖCHTE IHN NUR SICHER NACH HAUSE BRINGEN. DOCH IHR LEBEN KÖNNTE GENAUSO IN GEFAHR SEIN WIE DAS IHRES SOHNES: VERHALTEN SIE SICH VÖLLIG NORMAL. MORGEN WERDEN SIE DANN …
    EIN FREUND
    Der Brief führte genau aus, wann und wo sie sich treffen würden. Sie ließ ihn von einem Kontaktmann nach London faxen, dem sie auch genaue Anweisungen über die Art der Zustellung erteilte: Wenn Christopher Hanleys Vater an diesem Abend oder am nächsten Morgen seine Tageszeitung aufschlug, würde er im Börsenteil einen Umschlag finden. Wenn alles klappte, würde er seinen Sohn morgen abend zurückhaben, und Hedda würde etwas mehr über die Gründe des Hinterhalts auf der Brücke wissen.
    »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen dafür danken soll.«
    »Danken Sie mir noch nicht«, sagte Hedda zu dem Mann, der neben ihr über Dohas Marktplatz ging. »Sie haben noch eine Menge vor sich, und nur wenig davon wird angenehm sein.«
    Sie schlenderten an Händlern vorbei, die in der Hitze des Nachmittags ihre Waren anpriesen. Der Markt war nichts weiter als eine Straße, die mit einem verrosteten alten Wellblechdach bedeckt war. Die glücklicheren Händler besaßen Läden, die die Straße säumten, doch die große Mehrheit hatte ihre Waren auf Tüchern oder kleinen Tischen ausgebreitet. Die Überdachung fing die Gerüche und Geräusche der Straße auf und warf sie wieder zurück, was zu einem ständigen, pochenden Lärm und einem gleichermaßen von Gewürzen wie frischem Fisch geleiteten hartnäckigen Angriff auf die Nasen führte.
    »Wissen sie genau, daß wir in Sicherheit sind?« wollte Lyle Hanley wissen.
    Wie verlangt, war er allein gekommen. Andernfalls hätte Hedda keinen Kontakt mit ihm aufgenommen.
    »Wären sie hier, würden sie sofort auffallen.«
    »Genau wie wir.«
    »Das meine ich.«
    »Was ist mit meinem Sohn? Wo ist er?«
    »Ich möchte nicht, daß Sie ihn sehen, bis Sie begriffen haben, womit Sie es zu tun haben.«
    »Aber sagen Sie mir wenigstens … ist er verletzt? Ihr Brief …«
    »Er wurde vorletzte Nacht verwundet.«
    »Verwundet?«
    »Angeschossen.«
    Lyle Hanley blieb abrupt stehen. »Von wem?«
    »Das spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dafür zu sorgen, daß es nicht noch einmal geschieht. Sie beide sind zu gefährlich für sie geworden. Man kann es sich nicht leisten, Sie am Leben zu lassen.«
    »Ich habe Ihre Anweisungen befolgt. Niemand weiß, daß ich London verlassen habe.«
    »Doch, irgendwer weiß es. Irgendwer weiß es

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