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Die Neunte Gewalt

Titel: Die Neunte Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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Bettes verbrachte. Des Nachts ließ sie ihn zu sich unter die Decke kriechen. Am Morgen beobachtete sie ihren Großvater gern beim Rasieren. Manchmal rieb er eine mit grünem, süßlich riechendem Aftershave bedeckte Hand durch ihr Gesicht.
    Hedda konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart. Sie mußte agieren, solange die Nacht noch ihr Verbündeter war. Ein Boot stehlen oder ein Flugzeug auftreiben, das sie zu einem der Schutzverstecke bringen konnte, die sie im Lauf der Jahre eingerichtet hatte. Doch um überhaupt irgendwo hinzukommen, mußte sie laufen und den Jungen tragen, wodurch sie unerträglich langsam wurde. Also ein Fahrzeug. Sie brauchte ein Fahrzeug …
    Sie trug den Jungen so behutsam in den Armen, wie sie konnte. Er bewegte sich ein paarmal, und Hedda spielte mit dem Gedanken, ihm ein Beruhigungsmittel zu geben, damit er nicht zu sich kam. Ihr Marsch durch die Wälder brachte sie wieder in Reichweite der Straße, und sie setzte sich und wartete ruhig ab. Fünf Minuten vergingen, dann erschien ein Wagen und hielt kurz darauf an. Drei Gestalten stiegen aus und verteilten sich im Unterholz.
    Als Hedda ihre Verfolger sah, brandete ein neuer Adrenalinstoß durch ihre Adern. Die Narren waren für so einen Job viel zu gut gekleidet. Noch ungeschickter war, daß sie sich nach kurzer Zeit aus den Augen verloren. Ihre Suche war eine reine Routinemaßnahme, die man hinter sich bringen mußte, und nichts weiter. Wahrscheinlich hielten die Kerle sie für tot. Hedda blickte wieder zum Wagen. Sie konnte hinüberlaufen und mit ihm verschwinden, ohne daß einer der drei Männer davon auch nur etwas mitbekam. Doch sie würden den Diebstahl des Wagens kurz darauf melden, und Librarian würde dementsprechend reagieren. Damit hatte sie nichts erreicht.
    Die Männer mußten sterben. So einfach war das. Nicht wegen ihr, sondern wegen Christopher Hanley, dessen Leben davon abhing.
    Sie entschloß sich nun doch, ihm ein Beruhigungsmittel zu verabreichen. Danach bereitete sie sowohl ihr Messer wie auch einen Würgedraht vor. Sie mußte schnell und leise töten. Hedda ließ den Jungen im Schutz des Unterholzes liegen und verschmolz mit der Dunkelheit. Beim ersten und dritten Häscher benutzte sie das Messer, beim zweiten die Schlinge. Sie atmete nicht einmal schwer, als sie Christopher Hanley auf den Rücksitz legte und in die Nacht hineinfuhr.
    Auf der Bootsfahrt, die die nächste Etappe ihrer Reise bildete, kam Christopher Hanley halbwegs zu sich. Hedda hörte seinen durchdringenden Schrei, während sie auf der Brücke Wache hielt. Sie stürmte nach unten und fand ihn schluchzend und stöhnend vor, ein Opfer sowohl der von den Sedativa hervorgerufenen als auch der wirklichen Alpträume, die ihn beinahe das Leben gekostet hatten. Er klammerte sich an sie, und sie duldete es. Das Gefühl war ihr fremd und fern, aber irgendwie ganz willkommen.
    »Wie fühlt sich dein Bein an?« fragte sie ihn.
    »Taub. Steif.«
    »Kannst du gehen?«
    »Ich … glaube nicht.«
    »Dann mußt du es auch nicht.«
    Er sah sie ängstlich an. »Ich weiß noch, daß jemand geschossen hat. Die Männer auf der Brücke haben auf mich geschossen, nicht wahr? Was … ist passiert?«
    »Es spielt keine Rolle. Ich werde dich nach Hause bringen. Tu, was ich sage, und ich verspreche dir, daß ich dich nach Hause bringen werde.«
    Der Junge umarmte sie erneut. Er wirkte im Gegensatz zu Hedda klein und zerbrechlich.
    Das Boot hatte genug Treibstoff, um sie nach Syrien zu bringen, wo sie die nächste Phase ihres Plans in Angriff nahm. Der Junge konnte tatsächlich nicht laufen, und so fertigte sie eine Krücke für ihn an und brachte ihm bei, wie er sie zu benutzen hatte. Bei ihrer Tarnung waren sie auf das angewiesen, was ihnen zur Verfügung stand, und in diesem Fall bot sich die Rolle einer Frau mit ihrem verkrüppelten Sohn geradezu an. Hedda zeigte ihm sogar, wie er betteln mußte, damit er in dem begrenzten Zeitraum, den sie benötigten, um eine sichere Zuflucht zu finden, als Einheimischer durchging.
    Eine Stunde nach Anbruch der Dämmerung legten sie in der syrischen Hafenstadt Latakia an. Auf dem dortigen Markt war viel mehr als nur Fisch und landwirtschaftliche Produkte erhältlich. Für den richtigen Preis bekamen Hedda und der Junge Plätze in einer Transportmaschine nach Qatar. Sie mietete sich mit dem Jungen im Gulf Hotel in der Hauptstadt Doha ein. Die Augen des Türstehers blitzten auf, als er sie erkannte, und er sorgte dafür, daß das

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