Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen
Straße stand, stieg das, was vor ihm lag, wie ein schrecklicher Traum um ihn her auf. Er dachte an den kleinen Sarg, der den Körper seines Sohnes einschloss, und daran, wie er am Tag der Beerdigung in die Grube gesenkt wurde. Das ist Isolation, sagte er sich. Das ist Stille. Es half vielleicht nichts, dass sein Sohn auch Peter geheißen hatte.
Fünftes Kapitel
A n der Ecke 72nd Street und Madison Avenue winkte er ein Taxi heran. Während der Wagen durch den Park zur West Side ratterte, sah Quinn aus dem Fenster und fragte sich, ob dies dieselben Bäume waren, die Peter Stillman sah, wenn er in die Luft und das Licht hinausging. Er fragte sich, ob Peter dieselben Dinge sah wie er oder ob die Welt für ihn ein ganz anderer Ort war. Und wenn ein Baum kein Baum war, so fragte er sich, was er wirklich war.
Nachdem ihn das Taxi vor seinem Haus abgesetzt hatte, spürte Quinn, dass er hungrig war. Er hatte seit dem Frühstück am frühen Morgen nichts gegessen. Seltsam, dachte er, wie schnell die Zeit in der Stillman-Wohnung vergangen war. Wenn seine Berechnungen stimmten, hatte er dort mehr als vierzehn Stunden verbracht. Er selbst hatte aber das Gefühl, dass sein Aufenthalt höchstens drei oder vier Stunden gedauert haben konnte. Er tat diese Diskrepanz mit einem Achselzucken ab und sagte laut zu sich selbst: «Ich muss lernen, öfter auf die Uhr zu sehen.»
Er ging die 107th Street zurück, wandte sich auf dem Broadway nach links, ging weiter in Richtung der Wohnviertel und sah sich nach einem passenden Lokal um, wo er essen konnte. Eine Bar sagte ihm an diesem Abend nicht zu – das Essen im Dunkeln, das versoffene Geschwätz –, obwohl sie ihm sonst willkommen gewesen wäre. Als er die 112th Street überquerte, sah er, dass Heights Luncheonette noch offen war, und beschloss hineinzugehen. Es war ein hell erleuchtetes und dennoch tristes Lokal mit einem großen Regal voller Männermagazine an einer Wand, einer Abteilung für Schreibwaren, einer anderen für Zeitungen, mehreren Tischen für Stammgäste und einer langen Theke. Ein großer Puerto Ricaner mit einer Kochmütze aus weißer Pappe stand hinter der Theke. Seine Aufgabe war es, die Speisen zuzubereiten, hauptsächlich mit Knorpeln gespickte Hamburgerpastetchen, weiche Sandwiches mit blassen Tomaten und welken Salatblättern, Milchshakes, Eiercremes und Brötchen. Zu seiner Rechten, hinter der Registrierkasse versteckt, saß der Chef, ein kleiner, kahl werdender Mann mit krausem Haar und einer tätowierten KZ-Nummer auf dem Unterarm, der über sein Reich von Zigaretten, Pfeifen und Zigarren herrschte. Er saß dort teilnahmslos und las die Nachtschwärmerausgabe der Daily News vom nächsten Morgen.
Das Lokal war um diese Zeit fast leer. Am hinteren Tisch saßen zwei schäbig gekleidete alte Männer, der eine fett, der andere sehr mager, und studierten aufmerksam die Renntabellen. Zwei leere Kaffeetassen standen zwischen ihnen auf dem Tisch. Vorn, vor dem Regal, stand ein junger Student mit einem aufgeschlagenen Magazin in den Händen und starrte auf das Bild einer nackten Frau. Quinn setzte sich an die Theke und bestellte einen Hamburger und Kaffee. Als sich der Koch in Bewegung setzte, sagte er über die Schulter zu Quinn:
«Mann, haben Sie heute Abend das Spiel gesehen?»
«Ich habe es verpasst. Gibt es etwas Gutes zu berichten?»
«Was glauben Sie denn?»
Seit mehreren Jahren führte Quinn immer das gleiche Gespräch mit diesem Mann, dessen Namen er nicht kannte. Als er einmal in dieser Imbissstube gewesen war, hatten sie über Baseball gesprochen, und seither setzten sie dieses Gespräch fort, sooft Quinn kam. Im Winter redeten sie von Geschäften, Prognosen und Erinnerungen, während der Saison immer über das letzte Spiel. Sie waren beide Mets-Anhänger, und die Hoffnungslosigkeit dieser Leidenschaft hatte eine Art Band zwischen ihnen geschaffen.
Der Koch schüttelte den Kopf. «Die ersten beiden Male am Schlag macht Kingman Solos», sagte er. «Peng, peng, Herrgott – von hier bis zum Mond. Jones wirft ausnahmsweise einmal gut, und es sieht gar nicht so schlecht aus. Es steht zwei zu eins am Ende der neunten. Pittsburgh kriegt einen in der zweiten und dritten, einer raus, die Mets gehen in die Reserve für Allen. Er wirft schlecht und schenkt dem Schlagmann das erste Mal. Die Mets setzen einen Mann aus dem Spiel oder können vielleicht einen Doppellauf kriegen, aber da kommt Pena und saut einen kleinen Bodenball hin, und das Luder flitzt
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