Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler
Ring, den man Andwaranaut nennt. Ist der nicht auch aus Gold? Willst du mir dieses reizvolle Schmuckstück etwa vorenthalten?«
»Was macht ein einzelner Ring schon aus? Du sagtest gerade selbst, dass du genug Gold hast, das Wergeld zu bezahlen.«
»Mir scheint, dieser Ring ist etwas ganz Besonderes. Du willst mich doch nicht betrügen, oder? Sonst müsste ich dich vielleicht doch noch auf den Rost legen. Gegrillter Hecht schmeckt vorzüglich!«, drohte Loki.
»Verdammt seist du! Er liegt unter dem schwarzen Stein am Ende der Höhle. Nimm ihn hin, doch höre meinen Fluch: Vater und Sohn soll er bringen den Tod, Fürsten und Reiche entzweien, Gefährten trennen und Freunde verfeinden! Fehde und Krieg sollen entbrennen! Niemandem nütze mein Gut!«
»Starke Worte, Zwerg, doch ich werde den Ring nicht behalten, also wird dein Fluch mich nicht treffen.«
»Um dein Schicksal muss ich mich nicht kümmern, das steht nicht in meiner Macht. Das haben die Nornen längst gewebt, und es wird gewiss kein gutes sein. Und nun lass mich frei!«
Nachdenklich löste Loki das Netz der Ran und entließ Andwari in die Freiheit. Der Kerl wusste anscheinend etwas, von dem er selbst noch keine Ahnung hatte, und das beunruhigte ihn. Doch zuerst musste er sich darum kümmern, dass Odin und Hönir wieder freikamen.
*
Ratatöskr hatte gerade dem Drachen Nidhöggr in den Wurzeln des Weltenbaums eine Zankbotschaft überbracht und war auf dem Rückweg zu seinem Kobel, als ihm auf einem großen Ast plötzlich die Wölfe Skalli und Hati den Weg versperrten.
»Wir müssen mit dir reden!«
Ratatöskr fungierte seit langem als eine Art Schiedsstelle aller mythischen Tiere. Das lag daran, dass er nicht von Anbeginn der Welt dabei war, sondern erst später zu all den anderen dazugekommen war. Woher er eigentlich stammte und warum er jetzt hier war, darüber schwieg der Eichkater, und die anderen Tiere waren diskret genug, ihn nicht danach zu fragen.
»Was ist los? Warum hetzt ihr nicht hinter der Sonne her?«
Ratatöskr sah irritiert nach oben. Er erwartete, dass der große Himmelsball stillstand.
»Schau nur!«, forderte ihn Hati auf. »Du wirst sehen, dass sie sich auch ohne uns bewegt.«
»Aber das geht doch nicht!«, rief Ratatöskr.
»Doch, es geht«, sagte Skalli tonlos.
»Aber warum …?«
»Weil nicht wir die Sonne über den Horizont treiben, sondern weil sie von einem kleinen Käfer geschoben wird. Von einem ägyptischen Käfer.«
»Die Sonne wird von einem Käfer bewegt? Seid ihr ganz sicher?«, fragte das Eichhörnchen ungläubig.
»Ja, ganz sicher. Wir haben es beide gesehen. Mit den Vorderbeinen schiebt er die Sonne an, und mit den vier Hinterbeinen läuft er über den Himmelsbogen. Wir kennen sogar seinen Namen, er heißt Chepre und stammt aus Ägypten. Man stelle sich das vor: Ein ausländischer Käfer, kleiner als eine meiner Krallen, bewegt die Sonne über den Himmel.«
»Aber ihr hetzt doch die Sonne schon, so lange ich denken kann!«
»Wir haben sie nicht gehetzt, wir sind ihr lediglich hinterhergerannt. Wie zwei dumme Hunde, die einem Pferd nachrennen und denken, dass das Pferd vor ihnen davonläuft. Dabei folgt es nur den Kommandos seines Reiters. Oder eines Käfers. Wir sind überflüssig!«, jammerte Hati.
»Völlig überflüssig!«, verstärkte Skalli.
*
Auf einmal ging alles sehr schnell. Barsil war zu Zerberuh, dem Kapitän des Schiffes Gublas Stolz, gegangen und hatte ihn mit eindringlichen Worten und funkelndem Gold überzeugt, dass er bald in See stechen müsse. Zerberuh, ebenso Anteilseigner des Schiffes wie Barsil, informierte umgehend die anderen drei Eigentümer der Gublas Stolz – Raffim, Mani und die Prinzessin Kalala.
Mani lehnte eine Teilnahme an einer Fahrt zum jetzigen Zeitpunkt ab, da er gerade eine Karawane in die Länder jenseits von Babylon vorbereitete, um wertvolle Seidenstoffe direkt bei den gelbhäutigen Menschen einzukaufen. Prinzessin Kalala und ihrem Lebensgefährten, dem Sänger El Vis, war derzeit nicht nach anstrengenden Tourneen durch fremde Länder; sie wollten lieber ihr Privatleben im Palast genießen. Raffim dagegen war sofort Feuer und Flamme. Endlich bot sich die Gelegenheit herauszufinden, was Barsil plante oder gar schon ausgeführt hatte. Nun musste Zerberuh nur noch die restliche Mannschaft zusammenstellen. Besser gesagt, zusammenstellen lassen, denn dafür gab es ja Uartu, den zuverlässigen Steuermann aus Sidon, der sich schon bei den anderen
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