Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler
siegreichen Bräutigam.
»Ich hatte das Gefühl, mit einem Kraken zu kämpfen. Wie viele Arme haben Burgunden eigentlich?«, fragte sie argwöhnisch.
Brünhild ahnte, dass man sie betrogen hatte, nur wusste sie noch nicht, wie.
*
Die Expedition der Tajarim lagerte in der Askja, einem Schachtel genannten Gebirgskessel, der auch als Schatzkammer der Zwerge bezeichnet wurde.
Die kleinen Islandpferde suchten die Umgebung nach Gräsern und Flechten ab, während Raffim allen verfügbaren Händen das Einsammeln der wertvollen schwarzen Steine befahl.
»Siehst du, für diese Arbeiten brauchen wir keinen Propheten mit direktem Kontakt zu einem Gott«, sagte er gerade zu Barsil, als ein kleines altes Männlein auftauchte.
Auf einem Stock gestützt, schaute es sich eine Weile um und betrachtete das Treiben der Tajarim, dann sprach es mit hoher Stimme: »Euer Gott muss sehr blutrünstig sein, wenn ihr so viele Rabensteine für Opfermesser braucht.«
»Wie meinst du das?«, fragte Raffim verunsichert.
»Nun ja, ihr sammelt jetzt schon drei Tage lang Obsidian. Nach meiner Berechnung könnte man damit dreihundertzweiundsiebzigtausend Opfertiere schlachten. Und ihr hört immer noch nicht auf. Das nenne ich wahrlich blutrünstig.«
»Unser Gott verlangt keine Blutopfer«, mischte sich Elimas ein.
»Das freut mich zu hören«, erwiderte der Zwerg. »Doch wozu braucht ihr dann so viele Rabensteine?«
»Zum Handeln, wozu sonst?«, sagte Raffim unwirsch. »Was geht dich das eigentlich an?«
»Sehr viel. Denn ich bin der Aufseher der Askja. Wir haben hier gewisse Regeln. Aber wir sind großzügig. Jeder darf zum Eigenbedarf Rabensteine auflesen und mitnehmen. Doch alles, was darüber hinausgeht, muss bezahlt werden.«
»Und wie willst du uns daran hindern, so viele Steine mitzunehmen, wie wir wollen, Alterchen?«, fragte Raffim hämisch.
»Glaubst du wirklich, meine Brüder haben einen altersschwachen, senilen Greis zum Wächter der Schatzkammer der Zwerge gemacht?«, fragte der Alte und verwandelte sich auf der Stelle in einen großen Menschen, größer noch als Mumal. Dieser Riese schaute nun bedrohlich auf Raffim herunter.
Bevor der Händler sich von seinem Schrecken erholt hatte, verwandelte der andere sich weiter, diesmal in einen Bären und brüllte ihn an.
Raffim versuchte zu fliehen und rannte los. Als er sich noch einmal umsah, stand an der Stelle des Bären ein geflügelter Drache.
Schreiend lief der Dicke zu den anderen Tajarim.
*
Hagen kehrte an die Stelle zurück, an der er seinen Vater Andwari Alberich getroffen hatte. Mühevoll unterdrückte er die Zuckungen und Ausbeulungen seines Körpers und verdammte seine Krankheit und ihre ständigen Versuche, seine Gestalt zu verändern. Noch nie hatten ihm seine spontanen Anfälle von Gestaltwandel so starke Beschwerden bereitet wie auf dieser kalten Insel.
Hagen setzte sich auf einen Stein und überlegte. Das Ziel der Reise war erreicht; Gunther hatte Brünhild erobert, würde sie mit nach Burgund nehmen und heiraten. Aber wie stand es mit seinen eigenen Zielen? Er wollte nicht sein Leben lang der blind ergebene, bis auf den Tod treue Vasall irgendeines eingebildeten Königs sein. Treue war etwas für geisterhafte, durch einen Ring geknechtete Nibelungen, aber nicht für ihn. Viel lieber säße er selbst auf einem Thron. Das Reich von Burgund wäre kein schlechter Anfang.
Ständig kreisten Hagens Gedanken um das Gold seines zwergischen Vaters, den Tarnmantel und den Ring der Nibelungen.
Er wusste, dass die Nibelungen außerhalb Eislands nicht ihre volle Stärke entfalten konnten, da sie an das örtliche magisch-mystische System gebunden waren. Eine Umsiedlung der Ringkrieger in ein skandinavisches Land wäre sicher machbar und nicht allzu verlustreich. Eine Reise zum Rhein aber wäre völlig sinnlos. Die einst Furcht erregenden Krieger wären nur noch machtlose Schatten.
Hagen überlegte kurz, ob ihm ein skandinavisches Königreich gefallen könnte, doch schnell verwarf er den Gedanken wieder. Er liebte die Gegend am Rhein, das Klima, den Wein und die Landschaft. Auch wenn seine Nibelungen dort leider nur noch Gespensterschatten wären, würden sie seinen Absichten durchaus nützlich sein. Immerhin konnten sie noch Schrecken verbreiten. Der Ring würde ihm bei seinen Zukunftsplänen mit Sicherheit helfen, denn ein wenig Schrecken oder auch Terror, wie die Römer es nannten, war schon immer ein gutes Mittel in der Politik
Weitere Kostenlose Bücher