Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler
Walküre.
Beim Anblick von Mumal meinte sie auf einmal: »Siegfried ist auch einer von denen, die man sich am Abend vor der Schlacht noch einmal ins Bett holt. Dann hat er noch etwas Schönes zum Abschied von seinem Heldenleben und die Walküre vielleicht auch.«
»Das ist nicht viel für ein ganzes Leben«, antwortete Seshmosis nachdenklich.
»Für manche bedeutete es alles«, sagte die Walküre mit einem wissenden Lächeln.
*
Die drei Nornen legten einige Schicksalsfäden zur Seite und nahmen einige neue auf.
»Lasst uns ein weiteres Bild im Gefüge der Welt weben, meine Schwestern. Ein Bild voll Blut und Tränen, Liebe und Freude, Schmerz und Leid, Trauer und Glück. Lasst uns die Fäden spinnen durch Raum und Zeit, auf dass sich erfülle, was sich erfüllen muss!«, forderte Skuld, die Norne aller künftigen Ereignisse.
Aus den verborgenen Schriften der verlorenen Burgunden
Ausgelöscht sind unsere Spuren in Worms. Ich, der Schreiber dieser Zeilen, bin der Letzte von uns in dieser stolzen Stadt, die für uns zur verbotenen wurde. Seit Monaten muss ich mich in den Katakomben verstecken, ein Fremder, ein namenloser Schatten in der eigenen Heimat. Doch will ich nicht über mein Schicksal klagen, sondern über meines Volkes traurigen Untergang.
Selbst in mir, der ich alles miterleben musste, dunkeln schon langsam die Erinnerungen. Doch bevor die Schleier des gnädigen Vergessens über mich und unser Volk kommen, will ich das Unheil bannen, hier, an diesem Ort, wo alles begann. Lest, bevor mir die Worte vollends entfallen und mich ein unseliger Geist in die neblige Nacht entführt.
Der unglückliche Sänger Wahnfried, der um eines Liedes willen mit des Schicksals Fäden spielte, floh in ein wildes Land. Er, von dem man sagt, er sei mein Großvater, opferte seinem Meisterwerk das Reich seines Königs. Nun lebt er wie ein Wolf auf der Flucht. Man sagt, er sänge immer noch kraftvoll in einer großen Halle auf einem grünen Hügel bei germanischen Stämmen.
Doch nicht einmal im Titel seines Epos taucht unseres Volkes Name auf, sondern nach den vor uns Untergegangenen ist es benannt: Das Nibelungenlied. Das Lied des Volkes aus Niflheim. Dabei sind wir doch auch fast alle in das alte Land der Hel gegangen, an jenem Tag, an dem der Tod reiche Ernte hielt. Der Tag, an dem die Heiligen aus unserer Stadt flohen und die Walküren einfielen wie ein rächender Gewittersturm.
Heute patrouillieren wieder römische Legionäre durch die Straßen von Worms. Männer, die keinen Deut besser sind als die marodierenden Hunnen, die uns niedermachten. Doch König Gunther musste ja unbedingt nach der Provinz Belgica greifen! Wir sind ein Volk ohne Raum, sagte er.
Und mein Vorfahr stachelte ihn an, entfachte seine Kriegswut. »Ein Sieg über ein paar Sachsen ist nicht genug. Nur eine große Tat macht dich zum großen Helden!«, soll er zum König gesagt haben. »Nur ein großer Sieg lässt die Generationen der Geschlechter deinen Namen singen!«
Dann aber folgte der schreckliche Untergang. Rom empfand den Feldzug gegen Belgica ungebührlich und schickte Truppen. Gut ausgebildete und gut ausgerüstete Legionäre und vor allem hunnische Einheiten. Reitende grausame Mörder, gedungen für ein paar Sesterzen. Sie erschlugen Gunther, Gernot, den jungen Giselher, töteten alle Edlen von Burgund und legten unser Volk in Ketten.
Wer nicht in der Schlacht starb oder während der Verschleppung, lebt nun im neuen Burgund in Gallien, wo ein guter Wein wächst. Natürlich fand sich schnell wieder eine neue Herrschaft, ebenso von Gott gesandt und eingesetzt wie die bisherige. Wir akzeptieren diesen König und die Seinen und hoffen, dass wir in Frieden mit unsern Nachbarn leben dürfen. Bis es vielleicht wieder einem Sänger gefällt, seinen König zu unsterblichem Ruhm zu verführen.
*
Von Drachen und Menschen in Burgund
Worms quoll über vor vieledlen Herren und vielschönen Damen in vielprächtigen Gewändern. Alle, die auf der Burg Gunthers keinen Platz mehr fanden, nahmen Quartier in den Gasthäusern der Stadt. Und als auch diese nicht mehr ausreichten, entstand ein buntes Zeltlager direkt am Ufer des Rheins. Aus Nah und Fern eilte jeder herbei, der Rang und Namen hatte oder zumindest glaubte, Rang und Namen zu haben, um an der Doppelhochzeit von Gunther und Brünhild sowie seinem Helden Siegfried und des Königs Schwester Kriemhild teilzunehmen.
Glückliche Könige sind freigiebig und
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