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Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Titel: Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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misstrauen – Gunther belauerte seine Gemahlin Brünhild, Brünhild beargwöhnte Siegfried, Siegfried beobachtete Seshmosis, und Hagen ließ Kriemhild samt ihrem neuen Ring nicht aus den Augen. Nur Kriemhild beachtete niemanden und himmelte ausschließlich ihren Gatten an. Sie hatte nur Augen für ihn.
    Nach dem Servieren des kräftigen Verdauungstrunks aus der Burgbrennerei blickte Nostr'tut-Amus erstaunt in seinen Becher. Seltsame Dinge schienen sich auf der Flüssigkeit zu spiegeln, und plötzlich nahm eine fremde Macht Besitz von ihm. Zum Erstaunen aller stand Nostr'tut-Amus auf und ergriff das Wort. Keiner der Burgunden hatte den merkwürdigen Mann bisher sprechen gehört, es ging sogar schon das Gerücht um, dass er stumm sei. Eine der in Umlauf gebrachten Geschichten sagte, dass ein orientalischer Despot ihm mit eigenen Händen die Zunge herausgerissen haben soll.
    Dafür sprach der Seher jetzt doch sehr flüssig. Wie in Trance verkündete Nostr'tut-Amus:
    »Feuer sehe ich über Worms. Weiber schreien und Kinder greinen. Männer sterben ungesehen, unbewundert in den Fluten des Rheins. Das Reich Gunthers versinkt in Blut. Zerrieben zwischen dem Adler von Rom und den Pferden der Steppe, wird Burgund untergehen. Nur wenige werden überleben, doch ihre Heimat für immer verlieren. Die Bauernhöfe an den Ufern des Flusses brennen. Alle Edlen liegen gemeuchelt in den Auen oder zwischen den Burgmauern. Nur einer bleibt, das Elend zu künden.«
    Verzweifelt versuchte Seshmosis den Freund wieder auf den Stuhl herunterzuziehen und zum Schweigen zu bringen. Doch vergebens.
    Gunther sprang wutentbrannt auf.
    »Schweig, Elender! Wie kannst du es wagen, an meiner Tafel so zu reden!«
    Seshmosis erhob sich, während er immer noch versuchte, den zitternden Nostr'tut-Amus nach unten zu drücken.
    »Verzeiht! Mein Freund ist so einen starken Trunk nicht gewohnt. Nehmt ihn nicht ernst! Er ist Ausländer, ein Ägypter! Vergesst einfach, was er gesagt hat!«
    »Wie kommt dieser dahergelaufene Kerl dazu, unseren Untergang zu prophezeien?«, empörte sich Kriemhild.
    »Vielleicht, weil er ein Prophet ist!«, flüsterte Hagen ihr triumphierend zu. Hass glühte in seinem verbliebenen Auge. Er war sich sicher, dass er der eine aus der Prophezeiung war, der blieb, das Elend zu künden.
    König Gunther versuchte die Situation in den Griff zu bekommen.
    »Fragen wir ihn doch, woher er seine Informationen hat. Wachen! Ergreift den Kerl und schafft ihn ins Verlies. Mag er dem Folterknecht Weissagungen machen!«
     
    *
     
    Nachdem man Nostr'tut-Amus weggebracht hatte, beruhigten sich alle wieder. Gunther hob die Tafel auf, und in der großen Halle und den angrenzenden Räumen bildeten sich kleine Gruppen, die sich über das eben Geschehene unterhielten. Hagen nutzte die Gelegenheit und pirschte sich an Kriemhild heran. Endlich traf er Siegfrieds Weib allein an und fragte einschmeichelnd: »Ein bezauberndes Ringlein trägst du heute Abend, edle Kriemhild. Ist das neu?«
    »Ja, es ist ein Geschenk von Siegfried. Er erbeutete es einst von einem schrecklichen Riesen.«
    Der Ring selbst raunte Hagen eine ganz andere Geschichte zu: Ich bin rechtmäßig dein! Nimm mich, Hagen von Tronje! Ich bin der Andwaranaut, der Ring deines Vaters. Nimm, was des Sohnes ist!
    Nur mit Mühe konnte sich Hagen beherrschen und unterdrückte das brennende Verlangen, Kriemhild augenblicklich den Ring vom Finger zu reißen.
    »Du bist so unruhig heute Abend, Hagen. Fehlt dir etwas? Geht es dir nicht gut? Du bist so bleich, und deine Hände zittern. Droht wieder einer deiner Anfälle?«
    »Es muss am Essen liegen, vieledle Brünhild. Es liegt bestimmt am Essen. Entschuldige bitte, wenn ich mich gleich zurückziehe. Eine Unpässlichkeit. Sicher wird es bald wieder besser, wenn ich mich etwas früher zu Bett lege.«
    »Ja, sicher, das hilft bestimmt. Gute Besserung, Hagen!«
     
    In seinem Quartier lief Hagen unruhig auf und ab. Er hörte jetzt zwar den Ring nicht mehr, doch fühlte er ihn weiterhin. Ein ständiges, fast körperliches Verlangen erinnerte ihn daran, dass der Ring ihm und nur ihm gehörte.
    Wie kam Siegfried an seinen goldenen Ring, und wie kam er dazu, ihn zu verschenken? Der Narr wusste sicher nicht einmal, welchen Schatz er da leichtfertig weggegeben hatte. Wann würde Draupnir sich das nächste Mal vermehren? Wie lange würde es noch dauern, bis des Morgens neben dem Ursprungsring acht weitere liegen würden? Kriemhild musste schnellstmöglich von dem

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