Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler
Sänger.
»Ich würde eher sagen, ich kenne ihn. Nun, aus meiner Zeitperspektive müsste es wohl exakt heißen, ich werde ihn kennenlernen. Obwohl, rückblickend … Es ist verflixt mit diesen ganzen Zeitsprüngen. Man kommt ziemlich durcheinander«, seufzte Seshmosis.
»Wie kommt es, dass du ständig durch die Zeit reist?«
»Es ist so eine Art Gelübde, ein Dienst an meinem Gott.«
»Aber es gibt keinen Gott außer Gott. Sagt Gott jedenfalls.« Wahnfried schien verwirrt.
»Und was ist dann mit Odin und all den anderen? Frag doch Brünhild, die lange an der Seite des Allvaters ritt!«, empfahl Seshmosis.
»Aber sie ist doch eine Heidin!«, empörte sich Wahnfried.
»Eine Heidin nur, doch gut genug, eure Königin zu sein. Manchmal habe ich den Eindruck, ihr wisst selbst nicht, was ihr wollt. Ihr tanzt um euer Kreuz wie andere ums Goldene Kalb und erschlagt jeden, der sagt, euer Gott sei nicht der Einzige. Damit erntet ihr Krieg, sage ich dir, nichts als Krieg!«
Seshmosis schüttelte den Kopf und schlenderte in die Mitte der Halle. Von einer Empore hingen prächtige bunte Fahnen herab bis auf den Boden; polierte Schilde, Speere und Schwerter prangten überall an den Wänden.
»Ich habe solche Dinge schon oft gesehen«, sagte Seshmosis. »Es ist erstaunlich, wie schnell sie zerbrechen und verbrennen.«
»Doch ich werde dem allen ein Denkmal setzen! Ich werde es in Worten festhalten! Alles! In meinem großen Heldenepos. Schon viele Verse sind von mir gedichtet und auch in Töne gesetzt. Eines Tages wird alle Welt mein Burgundenlied kennen«, schwelgte Wahnfried.
»Dann pass auf, dass du lange genug lebst, um auch das Ende deines Liedes zu schreiben«, riet ihm Seshmosis und verließ den Raum.
*
»Vater, die Gelegenheit ist günstig, doch brauche ich Verbündete!«
Hagen von Tronje marschierte angespannt vor der knorrigen Eiche im Wald auf und ab. Andwari Alberich hingegen war die Ruhe selbst. Ungeduld war für ihn ein Privileg der Jugend, aber ein Fehler in der Politik.
»Ich habe einen Freund für dich, mein Sohn. Einen mächtigen Freund.«
»Wen? Ich hoffe, du denkst nicht an Siegfrieds Vater, König Siegmund von Xanten. Der ist ein Schwächling und kaum in der Lage, umherstreifende Sachsen in Schach zu halten. Oder meinst du die Römer? Die mischen sich nicht ein, wenn die Germanen untereinander im Streit liegen.«
»Nein, ich meine ihn hier. Dreh dich um!«
Alberichs Sohn tat wie geheißen und hätte vor Schreck fast seine Augenklappe verloren. Hinter ihm stand ein gelber Drache. Anscheinend nahmen die Biester in Burgund langsam überhand.
»Gestatten, Raffnir. Wir kennen uns schon teilweise. Ein Kopf von mir liegt auf eurem Marktplatz.«
Bevor Hagen antworten konnte, wurde bei ihm durch die Gegenwart seines Vaters und des Drachen ein neuerlicher Anfall von spontanem Gestaltwandel ausgelöst. Binnen kurzem verwandelte er sich in einen schwarzbraun-dunkelgrünen Mensch-Drachen-Mischling von ausgesprochener Hässlichkeit.
»Ich mochte Drachen auch schon immer«, kommentierte Alberich sarkastisch. »Obwohl es für mich persönlich nicht die optimale Daseinsform ist. Als Erfinder braucht man feinmotorische Fähigkeiten, da kommt man mit Klauen und Krallen nicht so gut zurecht.«
Nur mit Mühe bekam Hagen seine veränderten Stimmbänder unter Kontrolle und fragte: »Wieh kannttu mirr hälfä?«
»Oh, ich habe viele Fähigkeiten. Zum Beispiel bin ich ein Spezialist für Jagdunfälle«, antwortete der Drache.
Wieder gelang es dem Tronjer kaum zu sprechen. Schließlich bat er stammelnd seinen Vater: »Maach Hagens Gschtalt mitt mirr.«
Der sichtlich amüsierte Alberich legte die Hand auf den schuppigen Rücken seines Sohnes und sprach einige Worte in einer fremden Sprache, die sehr viele Zischlaute enthielt.
Hagen wurde wieder Hagen, samt Augenklappe. Der Rest seiner Kleidung entsprach allerdings nicht mehr dem burgundischen Hofprotokoll und hing in Fetzen herab.
»Verdammte Gestaltwandlerei!«, fluchte er. »Wann wird das endlich aufhören? Darüber müssen wir noch reden, Vater!« Dann wandte sich Hagen dem gelben Drachen zu.
»Wird es wirklich wie die Folge eines Drachenkampfes aussehen, Raffnir? Siegfried ist beliebt wie nie, und wir können uns keinen Volksaufstand leisten.«
»Siegfried ist ruhmsüchtig. Er wird sich die Chance nicht entgehen lassen, dass man ihn als noch größeren Helden feiert, wenn er einen weiteren Drachen tötet. Du verstehst?«
»Ich verstehe. Ich werde
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