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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Zeugen, und vor dem Gericht des Zehnerrates seid Ihr zum Tod durch das Beil verurteilt worden, Lion!«,rief Christoph. »Wenn Ihr Euch nicht schuldig fühlen würdet, warum seid Ihr dann aus der Stadt verschwunden und habt Euch nicht gestellt?«
    »Ich möchte einmal wissen, wozu man mich verurteilt hat«, kam es von Suor Mathilda.
    »Zur ewigen Verbannung aus der Serenissima«, erwiderte Christoph.
    Lion richtete sich auf und kam drohend auf Christoph zu. Er blieb dicht vor ihm stehen.
    »Ein Mann der Kirche ist niemals schuldig«, geiferte er. »Die Mädchen waren schuld. Sie haben mich und viele andere Männer verführt! Frauen werden dazu geboren, Unglück in die Welt zu bringen. Sie haben den Teufel in sich, den man ihnen austreiben muss!«
    »Wir beten für die armen Seelen der Mädchen«, näselte Suor Mathilda.
    »Habt Ihr Nanna Tarabotti ermordet, Lion?«, fragte Christoph.
    »Nein, ich habe meinen Auftrag von Gott erhalten und ihn immer in seinem Sinn ausgeführt.«
    »Habt Ihr Nanna den Teufel auszutreiben versucht?«
    »Nein!«, schrie Lion auf. »Ich habe sie nicht getötet!«
    »Wer dann?«
    »Das kann ich Euch nicht sagen.«
    In diesem Moment hörte Christoph Waffengeklirr, Schreie und Flüche aus dem Vestibül. Sie liefen zurück zum Treppenabsatz und sahen, dass der Eingangsraum voll mit Männern der Signoria war, deren blaue Uniformen und weißen Federhüte hervorstachen. Einige Damen der Tischgesellschaft kreischten oder fielen in Ohnmacht. Wie hatten die Signori della Notte sie gefunden? Christophs Herz klopfte schneller. Waren sie ihnen schon von Venedig aus gefolgt? Doch es war nutzlos, jetzt darüber nachzudenken. Sie mussten schnell handeln, sonst war alles, was sie bishererreicht hatten, verloren. Christoph stürmte in das Zimmer, in dem Hans immer noch den Abt und die Äbtissin mit seinem Messer in Schach hielt.
    »Ich habe die beiden eben daran gehindert, Gift zu nehmen«, berichtete Hans kurz.
    »Ihr wollt Euch aus dem Leben stehlen, Euch der Verantwortung entziehen?«, schrie Christoph den Abt an. »Ihr werdet der Gerechtigkeit nicht entkommen. Und Eure Gespielin ebenfalls nicht!«
    »Wir müssen fort von hier, schnell«, raunte Hans ihm zu.
    Christoph blickte sich um, doch es gab keinen Fluchtweg außer über die Treppe, die gerade von den Signori gestürmt wurde. Es war zwecklos, weiter nach einem Ausweg zu suchen, deshalb blieben sie einfach stehen und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Schnell waren sie von den Männern umringt.
    »Das sind der Abt Lion und Suor Mathilda«, sagte einer, anscheinend der Anführer, und deutete auf das unglückselige Paar. Die beiden ließen sich widerstandslos festnehmen. Ihnen wurden Armfesseln angelegt.
    »Seid Ihr Christoph Pfeifer und Hans Leublin?«, fragte der Anführer. Als sie bejahten, ließ er ihnen ebenfalls Handfesseln anlegen.
    »Ihr seid im Namen des Zehnerrates und des Dogen von Venedig verhaftet wegen Verlassens der Stadt«, meinte er gewichtig.
    »Woher wusstet Ihr, dass wir hierher gereist sind?«, fragte Christoph den Anführer der Signori.
    »Ein Mann, der Euch ans Festland gerudert hat, berichtete uns von der Flucht.«
    Sie wurden die Treppe hinuntergeführt, vorbei an den staunenden, spöttischen Blicken der Gesellschaft, und nach draußen gebracht. Breitnagels Gesicht zeigte einenbefriedigten Ausdruck. Vielleicht hatte er die Signori sogar herbeigerufen, nachdem sie in Riva angekommen waren.
    Lion rief Breitnagel zu: »Du hast mir versprochen, uns zu beschützen! Was für ein erbärmlicher Wicht du doch bist!«
    Breitnagel wandte sich gleichgültig ab. Suor Mathilda spuckte auf den Deutschen. Sie und Lion wurden von den Signori fortgezogen. Die Stadtbevölkerung hielt sich in gebührendem Abstand. Sicher wollte keiner es mit den Gehilfen der Signoria zu tun bekommen. Vier der Polizisten nahmen sie jeweils vor sich aufs Pferd, und los ging es im Galopp, am Hafen vorbei, am Gestade des Sees entlang. Über Torbole gelangten sie an das Ostufer des Sees. Christoph bewunderte trotz der aufgewühlten Stimmung, in der er sich befand, die Grandiosität dieser Landschaft. Fast senkrecht, graugrün schoben sich die Felsmassen am gegenüberliegenden Ufer zum Wasser hinab, das inzwischen in einem dunklen Smaragdgrün leuchtete. Wie einsame Schwäne zogen die Fischerboote über das Wasser. Manchmal konnte er einen Blick auf die Gesichter der anderen Gefangenen erhaschen. Hans blickte gleichmütig, aber auch zuversichtlich vor sich hin.

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