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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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bessern!« Erst als ihre Rücken blutüberströmt waren und sie zu fallen drohten, gebot der Priester Einhalt. Die Ordensschwestern verneigten sich.
    »Wer beichten will, komme jetzt zu mir«, sagte der Priester. »Die anderen sollen ihrem Tagewerk nachgehen,sei es Arbeit im Haus, im Garten oder das Lesen erbaulicher Schriften.«
    Die Nonnen zogen sich zurück. Celina verstand die Welt nicht mehr. Warum wurden diese Nonnen für etwas bestraft, was in diesem Kloster an der Tagesordnung war?
    Der Winter war jetzt endgültig eingekehrt. Er brachte schwere graue Wolken, Regen, der sich mit Graupeln mischte, und eine schreckliche Kälte, die nicht mehr aus den Mauern, den Zellen, der Kirche und den eigenen Kleidern wich. Das Weihnachtsfest verbrachten die Nonnen im Gebet in der Kirche; um die Statue der Jungfrau waren einige wenige Kerzen aufgestellt.
    Der Morgen des 26. Dezember brach heran, der offizielle Beginn des Karnevals in Venedig. Nach der Frühmesse forderte die Äbtissin ihre Schützlinge auf, sich nach dem Mittagessen im Kreuzgang einzufinden; man werde die Feierlichkeiten des Karnevalsbeginns mit ansehen, der Doge, Priuli, habe es so angeordnet. Abends gebe es eine hauseigene Theatervorstellung in ihrem Kloster, zu dem ebenfalls der Doge höchstselbst erscheinen wolle.
    Celina stand zusammen mit der Äbtissin und anderen Nonnen in der Menge auf dem Markusplatz. Überall waren Buden aufgebaut worden, aus denen es nach Gebratenem und süßen Mehlspeisen roch. Was sie sah, machte ihr Angst und bereitete ihr zugleich ein wildes Vergnügen: das Wogen und Treiben, Männer, die sich als Teufelchen verkleidet hatten und mit Eiern nach schönen, ebenfalls maskierten und verkleideten Frauen warfen. Eins dieser Eier zerplatzte an Celinas Brust; es verströmte einen intensiven Duft nach Rosenöl.
    »Trinkt, esst, guten Käse, gute Früchte, gutes Fleisch, gute Nudeln, gutes Huhn, guten Kapaun, trinkt und esst, bis es nicht mehr geht!«, riefen die Männer wie in einem Wechselgesang. Menschen in Mänteln aus schwarzer Seideflogen vorüber, auf den Köpfen die Bahuten , Kappen, die bis über die Schulter hinab reichten. Die Gesichter waren bis zum Mund mit weißen Wachsmasken bedeckt, darüber wippten schwarze Federhüte. Männer trugen Frauenmasken, Lumpenkostüme oder traten mit geschwärzten Gesichtern auf. Himmels- und Meeresgötter wallten durch die Menge, eine Gruppe von Frauen hatte sich mit so viel Gold, Juwelen und Perlen behängt, dass Celina sich fragte, wo sie diesen Reichtum hergenommen haben mochten. Ein Mann, der wie ein persischer Seidenhändler wirkte, torkelte auf Celina zu, umfasste ihre Taille und schwang sie im Kreis herum. Sie entwand sich ihm, doch er näherte sich abermals und tat so, als wolle er in ihren Busen beißen. Ein Aufschrei ging durch die Anwesenden, begleitet von Pfiffen und Händeklatschen. Celina schaute dorthin, wohin aller Augen schauten: auf die Markussäule, die von einem Löwen gekrönt war. Dort oben auf der Plattform standen Männer in bunter Zottelkleidung, die quiekende und sich windende Schweine gepackt hielten. Ein Trommelwirbel ertönte, und die Schweine wurden unter tosendem Jubel hinabgeworfen. Ihr Quieken war ohrenbetäubend. Celina hörte, wie die dicken Leiber auf dem Pflaster aufschlugen. Vom Dogenpalast her kam ein Stier gerannt. Die Menge wich zurück, so dass Celina seine blutunterlaufenen Augen sehen konnte. Bellende Hunde verfolgten das Tier. Der arme Stier wird zu Tode gehetzt, dachte Celina, und dabei kommen sicher auch die Hunde ums Leben.
    »Den abgeschnittenen Kopf wird man zur Schau stellen, den Rest an die städtischen Armen und Gefangenen geben«, erklärte die Äbtissin vergnügt.
    Die Auftritte mit den Schweinen waren verboten worden, erinnerte sich Celina. Eine Zeitlang war zu Beginn der Karnevalssaison ein Seiltänzer aufgetreten, der sich von einem Gerüst hoch oben an einem Seil herunterschwang.Aber die alten Traditionen setzten sich immer wieder durch.
    Das Stück, das am Abend im Kloster zur Aufführung kommen sollte, hieß »Irdische Komödie«, frei nach Dante. Das Besucherzimmer war als provisorisches Theater eingerichtet worden, mit einer hölzernen Bühne, Bänken sowie einem Ausschank mit Speisen und Getränken. Etwa fünfzig Personen drängten sich im Saal, Männer in edler Kleidung, Mönche mit Federhüten und aufgeputzte Frauen, die sich auch sonst gern in der Nähe der Klöster herumdrückten. Unter den Gästen bemerkte Celina einen

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