Die Nonne und die Hure
mein Name. Und wie heißt Ihr?«
»Christoph Pfeifer.«
In den Augen des Meisters blitzte es auf.
»Habt Ihr schon in einer Druckerei gearbeitet?«
»Nein, aber ich bin sehr lernwillig. Ein fahrender Schüler aus Deutschland, der bei einem hochgelehrten Professor studiert hat.«
»Ich werde Euch erst durch meinen Betrieb führen«, sagte der Meister. »Wir verlegen wissenschaftliche und sakrale Bücher, manchmal auch Gedichte und philosophische Abhandlungen – und wir drucken sie auch.«
Sie gelangten in einen Raum, in dem zwei Druckerpressen standen. Hier roch es noch intensiver nach Druckerschwärze; die Maschinen verursachten einen ziemlichen Lärm.
»Diese Pressen haben einen Spindelmechanismus«, sagte der Meister mit erhobener Stimme. »Sie üben Druck auf die Form aus. Das befeuchtete Papier wird mit Hilfe der beweglichen Oberfläche, der Druckplatte, gegen die Schrifttypen gedrückt. Nach der Einfärbung der Form wird die Druckplatte gegen sie heruntergeschraubt.«
»Wie viele Abzüge kann man damit machen?«, fragte Christoph.
»Etwa 250 Abzüge in der Stunde«, war die Antwort.
»Das ist eine ganze Menge. Wann kann ich anfangen?«
»Gleich morgen früh. Fünf Dukaten in der Woche für den Anfang, ein Bett in der Gesellenkammer und tägliche Verköstigung.«
Der Verleger drückte ihm kräftig die Hand.
»Ich habe Euch etwas mitgebracht aus Deutschland«, sagte Christoph und schaute Brinello vielsagend an.
10.
Die letzten Blätter fielen von den Bäumen; Nebel wallte durch den Garten, durch Klosterhof und Kreuzgang, und eines Morgens lag Reif auf den Gräsern. Celina fror in ihrer Zelle; sie hielt es dort nur aus, wenn sie sich unter die Decke kuschelte. Sie hatte dem Patriarchen keine Nachricht geschickt. Seit der Begegnung mit ihm mieden die anderen Nonnen sie, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Waren sie neidisch darauf, dass der Patriarch gerade sie ausgesucht hatte? Wäre jede von ihnen gern an ihrer Stelle gewesen? An einem Abend setzte Celina sich zu den anderen an den Tisch, an dem sie miteinander Karten spielten.
»Suor Margarethe, die Pförtnerin, hat erzählt, dass du die Geliebte des Patriarchen wärest«, sagte eine von ihnen zu Celina.
Wie kam ausgerechnet die Pförtnerin dazu, so etwas zu behaupten? Celina fiel ein, dass Margarethe selbst einen schlechten Ruf unter den Nonnen hatte. Sie scharwenzelte immer um die Ordensbrüder herum, die das Kloster besuchten, und angeblich nähte sie ihnen gegen Bezahlung Chorhemden und backte Kuchen und Kekse für sie. Es gelang Celina, die anderen davon zu überzeugen, dass Margarethe ein Gerücht in die Welt gesetzt hatte.
Am folgenden Morgen kündigte Suor Mathilda nach der Frühmesse eine Sündenbefragung an. Hatte eine Schwester gegen eine der Klosterregeln verstoßen, sei es, dass sie unkeusche Gedanken gehabt, gelacht oder zu viel gesprochen hatte, wurde sie bestraft. Celina hielt sich an die Regeln, ließ sich nichts zuschulden kommen, machte auch bei denKartenspielen und sonstigen Lustbarkeiten nicht mit. Sie hatte sich stattdessen Zutritt zur Bibliothek verschafft, saß oft bis spät nachts in ihrer Zelle und las, was sie dort in die Finger kriegen konnte: von Dantes »Göttlicher Komödie« über Petrarcas »Canzoniere« bis zu Erasmus von Rotterdam und Philipp Melanchthon.
Am Nachmittag versammelten sich die Nonnen im Kapitelsaal. Dort las ein Priester eine kurze Predigt, dann einige Sätze aus der Ordensregel. Danach begann er, Namen von einzelnen Nonnen vorzulesen.
»Gregoria, du hast gestern gebratenes Fleisch aus der Speisekammer gestohlen und wirst durch eine Geißelung bestraft. Johanna, du hast während des Essens gesprochen, und dir soll das Gleiche widerfahren. Wenn noch jemand eine Anklage vorzubringen hat, so trete er vor.«
Eine kleine, kräftige Nonne, der unter der Kapuze die schwarzen Haare über die Stirn fielen, näherte sich dem Priester.
»Lusenia hat einem der Laienbrüder schöne Augen gemacht«, sagte sie. »Und nachts hatte sie ihn bei sich im Bett liegen.«
Ein Flüstern ging durch die Reihen der Nonnen. Lusenia kam heran; ihre Augen waren aufgerissen.
»Die Strafen werden jetzt vollzogen«, sagte der Priester. Die drei Delinquentinnen entkleideten sich bis zum Gürtel. Die Äbtissin nahm einen Stock und ließ ihn auf die nackten Rücken der drei niedersausen. Während der Prozedur riefen die Nonnen: »Mea culpa, mea maxima culpa. Es ist meine Schuld, meine größte Schuld, ich will mich
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