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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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sagte der Verleger. »Nachdem Dante und Vergil – als Führer wird Vergil später von Beatrice und Bernhard von Clairvaux abgelöst – alle Kreise der Hölle durchschritten haben, stoßen sie in der untersten Tiefe auf Luzifer im Eis, in seinen drei Mäulern die Erzverräter Judas, Brutus und Cassius zermalmend. Vergil nimmt Dante und greift in das zottige Fell Satans. Sie befinden sich im Erdmittelpunkt. Er klettert an Satan vorbei nach unten und damit nach oben. Über ein Felsloch und einen Pfad an einem Bach entlang gelangen sie zurück zur Lichtwelt, zu den Sternen. Doch vorher müssen sie noch über den Läuterungsberg, das Fegefeuer. Hier büßen die Neidischen, Habsüchtigen und Hochmütigen; der Weg des Fegefeuers ist ein Rundweg, der sich in neun Stufen – entsprechend den neun Kreisen der Hölle – dem Licht entgegenschraubt.«
    »Und er wurde geläutert, befreite sich von den sieben Todsünden und gelangte ins Paradies?«, fragte Celina.
    »So ist es«, antwortete Brinello. »Diese Parabel sagt uns, wie wir den Weg zu uns selbst, zum Licht, zu Gott gehen können.«
    »Ich habe noch ein anderes Buch gefunden«, sage Celina. »Den ›Dialog über die Unendlichkeit der Liebe‹ von Tullia d’Aragona.«
    »Ach ja«, antwortete der Verleger. »Es erschien 1547 in Florenz und ist Cosimo I. de Medici gewidmet.«
    »Tullia stellt die Frage, ob Liebe unendlich sein müsse«, fuhr Celina fort, »oder ob es möglich ist, mit Maß und Grenze zu lieben. Die höchste Liebe, meint sie, sei die Gottes.«
    »Tullia räumt ein, dass es Liebende gibt, die lieben, um ein Ziel zu erreichen, und wenn sie dies geschafft haben, aufhören zu lieben. Nach Varchi liegt in diesem Fall keine Liebe vor«, ergänzte Brinello.
    Christoph blinzelte. »Warum sollte das keine Liebe sein?«, fragte er. »Nur weil sie irgendwann endet?«
    »Tullia d’Aragona unterscheidet zwei Arten von Liebe«, fuhr Celina eifrig fort. »Die eine nennt sie ›gemein und unehrenhaft‹, die andere ›aller Ehre würdig oder tugendhaft‹.«
    »Letztere wird nicht durch Leidenschaften hervorgerufen«, sagte Brinello, »sondern durch Vernunft. Das Ziel der Liebenden besteht darin, sich in den Gegenstand der Liebe zu verwandeln, um zu einer Vereinigung zu gelangen. Die Vereinigung findet nicht auf körperlicher, sondern auf geistiger Ebene statt.«
    »Wie langweilig!«, meinte Christoph.
    Hans rollte mit den Augen. »Die beste Liebe ist immer noch die, welche ich spüre, mit Haut und Haar und allen Sinnen«, sagte er grinsend.
    »Tullia d’Aragona war zeitweise mit ihren Texten recht erfolgreich, starb aber 1556 verarmt als Prostituierte«, schloss der Verleger die Unterhaltung. »Wir sollten nun zu Bett gehen und morgen überlegen, wie es mit Euch weitergehen kann.«
    Er hob das Talglicht und geleitete die anderen hinaus.

13.
    Das Leben in der Stadt nahm seinen Lauf, der Karneval währte bis Ende Februar, dann brach die Fastenzeit an. Ein Unwetter ging nieder; es drückte das Wasser der Lagune in die Kanäle und überschwemmte die Stadt. Vom Fenster ihrer Stube aus sah Celina Kohlblätter und Essensreste, die auf der Oberfläche des Wassers trieben. Es roch faulig. Als die Flut sich wieder zurückgezogen hatte, klebten Algen an den Untergeschossen der Häuser. Sie überzogen die Keller und Wasserportale mit einer schmierigen Schicht.
    Christoph und Celina kamen sich durch Gespräche über die Bücher näher, die sie in den wenigen Mußestunden lasen, insbesondere die Werke von Tullia. An einem Mittag Anfang März kehrte Brinello aufgeregt von einem Einkauf nach Hause zurück.
    »Sie haben ein totes Mädchen gefunden, das angeblich eine Nonne war«, rief er in den Druckraum hinein, in dem Christoph, Hans und ein weiterer Gehilfe arbeiteten. Celina fuhr von der Schreibarbeit auf, die sie an einem Stehpult aus Birnbaumholz verrichtete. »Wo hat man sie gefunden?«, entfuhr es ihr.
    Die Männer hielten in der Arbeit inne und starrten den Verleger fassungslos an.
    »Am Rio delle Convertite, auf der Giudecca. Sie suchen Leute, welche die Tote erkennen können.«
    Celina erschrak zutiefst. Sie musste an die Nonnen denken, die sie kannte, und hoffte inbrünstig, dass es nicht eine von ihnen sein würde.
    »Vielleicht kenne ich sie«, sprach sie leise vor sich hin. »Ich habe so eine Ahnung, wer es sein könnte.«
    »Ihr könnt das Haus nicht verlassen«, sagte der Verleger. »Ihr werdet noch gesucht.«
    »Wir alle werden gesucht«, gab Celina zur Antwort. »Und

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