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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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angehen«, sagte die Gestalt mit der Maske. Das war ein Mann aus Fleisch und Blut und kein Geist, wie Celina damals zunächst gedacht hatte. Im nächsten Augenblick war er in der Gasse verschwunden.
    Celinas Herz klopfte bis in den Hals herauf. Ihr war kalt, und sie wollte nach Hause. Warum hatte sie sich überhaupt auf dieses Abenteuer eingelassen? Das Schlimmste war, dass niemand von ihren Freunden wusste, wo sie sich befand. Sie nahm ihr blaues Halstuch und hängte es an einen rot-weißen Pfahl, der zum Anbinden der Gondeln diente. Falls man sie suchte, würde das ein Anhaltspunkt sein. Es wurde schnell dunkel, die Gassen hatten sich geleert, nur noch vereinzelt fuhren Gondeln und Boote auf den Kanälen. Eine kleine Straße lag vor ihr, in der sich kein Mensch aufhielt. Celina begann zu rennen, glaubte schnelle Schritte hintersich zu hören. Dann vernahm sie das Keuchen eines Menschen, zweier Menschen, Männer, die immer näher kamen. Sie wurde zu Boden geworfen, schürfte sich beide Knie auf. Eine Decke oder ein Sack aus Jute wurde über sie geworfen, sie wurde gepackt und hochgehoben. Eine starke Hand presste sich auf ihren Mund.
    »Halt dein Maul, sonst töten wir dich auf der Stelle«, zischte eine Stimme.
    Ein Fensterladen wurde aufgestoßen. »Was ist das denn für ein Lärm?«, rief eine schrille Frauenstimme.
    »Mach dein Fenster zu, Alte, oder wir kommen zu dir rauf«, brüllte eine andere Stimme.
    Celina merkte, dass sie hochgehoben und weggetragen wurde. Ein Knebel war ihr in den Mund geschoben worden, ein Tuch, das nach Schweiß schmeckte. Der Geruch der Kanäle schlug ihr entgegen.
    Nach einiger Zeit wurde sie in die Arme des anderen Mannes gereicht und auf einen hölzernen Boden gelegt, offenbar in eine Gondel. Das Boot setzte sich in Bewegung. Celina hörte das Plätschern des Wassers, wenn das Ruder eingetaucht wurde. Die beiden Entführer – oder zumindest einer von ihnen – mussten sich mit dem Rudern auskennen. Vielleicht gehörte er sogar zur Zunft der Gondelbauer, denn niemand anders als sie durfte dieses Gewerbe ausüben. Schließlich erreichten sie Land; den Geräuschen entnahm Celina, dass die Gondel festgezurrt wurde.
    »Hier, nimm meine Hand und steig aus«, herrschte sie der eine Mann an.
    Celina nahm seine Hand und merkte, dass sie über einen großen Platz geführt wurde. Sie wurde fast ohnmächtig vor Angst. Es ging breite Stufen hinauf. Steuerten sie etwa auf den Dogenpalast zu? Die Schritte der drei hallten durch die Räume. Es schien sich niemand mehr darin aufzuhalten. Aber draußen, auf dem Markusplatz mussten doch nochMenschen unterwegs gewesen sein! Der Nachhall der Schritte wurde dumpfer; ein kalter Lufthauch wehte Celina entgegen.
    »Vorsicht, hier sind ein paar sehr steile Stufen«, sagte der Mann, der sie fest am Arm gepackt hielt. Celina tastete sich die Stufen hinunter. Quietschend öffnete sich eine Tür. Sie wurde in einen Raum hineingestoßen, fiel auf einen Steinboden. Ihr schwanden die Sinne.
    Die Lagune lag vor ihr, nein, unter ihr. Ein glitzerndes Meer, soweit sie schauen konnte. Sie stand auf einer der Säulen am Rande des Markusplatzes, neben sich zwei Männer mit muskulösen Armen, die sie packten. Der Platz war bedeckt von einer johlenden Menge. »Hinunter mit ihr, wir werden sie in Stücke reißen!«, schrien die Menschen. Sie fühlte einen Schwindel, sackte zusammen, stürzte ab.
    Als sie erwachte, tastete sie als Erstes nach ihrem Kopf, der höllisch wehtat. Sie hatte eine Beule, die rasch größer wurde. Wahrscheinlich hatten die Männer sie bewusstlos geschlagen. Ihr war übel. Celina befreite sich von dem Sack und blickte sich um. Es war eine Zelle, in der sie sich befand, mit zwei Brettern, als Schlafgelegenheit auf den Boden gelegt. Der Boden, die Wände und die Decke waren aus massivem Stein und glänzten feucht. Kein Tageslicht kam herein, es fiel nur ein matter Widerschein durch ein kleines Fenster, das wohl in einen Gang hinausführte. In der Mitte des Bodens war ein Loch als Abort eingelassen. Man hatte ihr viel über das Gefängnis im Dogenpalast erzählt, über die Schwerverbrecher, die dort eingekerkert wurden und die vor ihrer Hinrichtung über die Brücke der Seufzer gehen mussten. Das Gefängnis lag auf der anderen Seite eines Kanals, und die Brücke führte hinüber in den Dogenpalast. Warum hatte man sie hierher gebracht? Hatte sie sich zu weit vorgewagt? Durfte niemand etwas über die Hintergründe der Todesfälle wissen?
    Nach einer

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