Die Nonne und die Hure
die Pilgerkleidung der beiden Frauen sah. »Der Bettlereingang ist hinten.«
»Sagt Kardinal Battista, Andriana Grimani sei nach Rom gekommen, um ihm ihre Aufwartung zu machen. Und sie habe eine Freundin dabei, die es verdient, ebenfalls in seinem Haus aufgenommen zu werden.«
Das Mädchen schlug die Tür zu. Kurze Zeit später erschien es erneut und sagte: »Der Kardinal ist nicht zu Hause.«
»Sag uns, wo wir ihn finden«, drängte Andriana.
»Ich kenne euch nicht und darf euch keine Auskunft geben«, sagte das Mädchen mit eisiger Miene.
»Täusch dich nicht, wir kommen wieder, wenn wir ihn gefunden haben.« Andriana gab Celina ein Zeichen zum Gehen. »Ob er zu Hause war und sich verleugnen ließ?«, sinnierte sie.
»Du kennst ihn offensichtlich besser als ich«, entgegnete Celina. »Ich vermute, dass er beim Papst im Vatikan ist.«
»Also müssen wir dort hin«, beschied Andriana.
Das Haus des Kardinals lag einige Straßen vom Vatikanentfernt. Die Straßen und Gassen waren immer noch mit unzähligen Gläubigen gefüllt. Vor den Toren des Vatikans wachten die Männer der Schweizergarde mit dem weißen Kreuz auf dem Brustpanzer. Sie waren mit Hellebarden und Schwertern bewaffnet. An ihren Ärmeln und Halbhosen prangten bunte Bänder.
»Die werden uns nicht zum Kardinal lassen«, meinte Celina.
»Wir versuchen es trotzdem«, antwortete Andriana. Sie steuerte geradewegs auf einen der Gardisten zu. Seine Miene war undurchdringlich.
»Wir möchten Kardinal Battista sprechen«, begann Andriana.
»Hier darf niemand hinein«, entgegnete der Gardist.
»Wir haben aber eine Audienz bei ihm«, log Andriana.
»Davon ist mir nichts bekannt. Schert euch fort!«
»Könnt Ihr uns sagen, wann der Kardinal den Papstpalast verlässt?«, warf Celina ein.
»Er hält Gottesdienst in seiner Titelkirche San Lorenzo«, gab der Gardist gleichmütig zur Antwort.
Die Kirche San Lorenzo befand sich am Rande des Marktplatzes. Aus ihrem Inneren drangen gedämpft liturgische Gesänge. Leise betraten die beiden Frauen den Vorraum. Das Schiff mit den aufstrebenden Pfeilern war bis auf den letzten Platz gefüllt. Sebastiano Kardinal Battista stand vor dem Altar. Er war mit einer scharlachroten Soutane, einem Schultertuch und einem seidenen Käppchen bekleidet. Nachdem der Chor seinen Gesang beendet hatte, teilte der Kardinal den Segen aus und schritt den Gang entlang auf Andriana und Celina zu, gefolgt von den Messdienern und der Menge. Er würdigte die zwei Frauen keines Blickes. Celina bemerkte, dass Andriana die Fäuste ballte.
»Das ist bezeichnend für die Herren vom Klerus«,raunte die Kurtisane ihr zu. »In der Öffentlichkeit bist du Luft für sie, aber nachts in ihren Zimmern …«
Sie folgten dem Zug über den Marktplatz. Betende Gläubige säumten ihn. Ein kleiner Junge trat auf Andriana zu und zupfte sie am Ärmel.
»Sebastiano Kardinal Battista wünscht Euch zu sehen, gute Frau Grimani«, sagte er und schaute sich um.
»Wo?«, fragte sie zurück.
»In seinem Haus in der Calle Trametto.«
»Ich habe leider keinen Scudo mehr, dich zu entlohnen«, sagte Andriana bedauernd.
»Das macht nichts.« DerJunge lachte. »Der Kardinal hat mir schon etwas gegeben.« Er verschwand in der Menge.
Wenig später standen sie wieder vor dem Haus des Kardinals, und diesmal ließ die Dienerin sie gleich ein. Durch einen schattigen Innenhof mit Springbrunnen und Palmen gelangten sie zu einer Marmortreppe. Sie folgten dem Dienstmädchen hinauf. Auf dem Treppengeländer standen antike Marmorbüsten. Vom Zimmer des Kardinals wehte ihnen ein Duft nach Rosenöl entgegen. Der Raum war ganz mit vergoldeten Ledertapeten ausgekleidet, Truhen und Schränke aus Nussbaumholz standen an den Wänden. Der Kardinal saß in einem breitlehnigen Stuhl und las in einem Buch. Er hatte sich umgezogen und trug einen schwarzen Talar mit roten Knöpfen sowie das ebenfalls rote Birett. Er hob den Kopf und blickte ihnen aus freundlichen Augen entgegen, die von einem Kranz Fältchen umrahmt waren.
»Ich grüße dich, meine liebe Andriana Grimani«, rief er und breitete seine Arme aus. »Lass dich umarmen! Wie lange ist es her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben!«
Andriana rührte sich nicht vom Fleck.
»Warum hast du mich in der Kirche verleugnet?«, fragte sie mit gepresster Stimme.
»Ach, Andriana, du weißt doch, dass ich dem Papst aufs engste verpflichtet bin. Die Leute würden reden. Stell mich doch lieber deiner allerliebsten Begleiterin
Weitere Kostenlose Bücher