Die Nonne und die Hure
Kleidung bekommt, so schmutzig, wie ihr ausseht«, fuhr der Kardinal fort. »Nachher rufe ich eine Kutsche, und wir werden den restlichen Abend im Weingarten meiner Freundin Arcangela Grana verbringen.«
Andriana schürzte spöttisch die Lippen. »Ach, gibt’s die auch noch?«
»Eifersüchtig?«, scherzte der Kardinal.
»Wie kann ich eifersüchtig sein, wenn doch mein eigenes Leben meinen Freunden Anlass zur Eifersucht geben könnte.«
»Ich weiß nicht, wie es in Venedig zugeht«, meinte der Kardinal. »Hier hatten wir kürzlich eine Eifersuchtsszene. Ein Liebhaber hat der Kurtisane Lara das Gesicht zerschnitten, weil sie sich mit einem anderen eingelassen hatte. Ihren Beruf kann sie jetzt nicht mehr ausüben.«
»Diese verdammten …«, rief Andriana.
Der Kardinal zog die Augenbrauen hoch.
»Beide Seiten sollten vorsichtiger sein«, fuhr Andriana in ruhigerem Ton fort. »Wir fahren also in der Kutsche zum Weingarten. Mit dir zusammen dürfen wir uns das wohl erlauben.«
»Es ist ein dummes Gesetz«, antwortete der Kardinal. »Der neue Papst hat es sich in den Kopf gesetzt, mehr Anstand und Moral in die Stadt zu bringen. Damit wird er nicht weit kommen. Die Kurtisanen gehören zur Gesellschaft wie der Adel, und keiner kann ihnen verbieten, ein Haus zu bauen, einen Weingarten zu unterhalten, schöne Kleider und Schmuck zu tragen oder Geld zu verleihen.«
Die kleine Maurin hatte Kleider zum Auswählen bereitgelegt. Celina zog eines aus Brokat und Seide an, das geraffte Ärmel hatte und hochgeschlossen war. Andriana dagegen genierte sich nicht, einen gewagten Ausschnitt zu tragen. Es gab auch Schmuck in Hülle und Fülle. Celina suchte für sich einen goldenen Anhänger mit Perlen und funkelnden Edelsteinen aus, Andriana schmückte sich zusätzlich mit juwelenbesetzten Armbändern und Ohrringen. Die Dienerin zupfte ihnen die Haare zurecht.
Die Kutsche des Kardinals erwies sich als ebenso prachtvollwie die Kleider. Die Armlehnen waren mit Samt gepolstert, und die Pferde trugen bunte, mit Perlen bestickte Decken auf dem Rücken.
Der Kardinal scheint unermesslich reich zu sein, dachte Celina. Er wird sicher auch viele Kurtisanen aushalten. Sie stiegen ein, und der Kutscher trieb die Pferde an. Das abendliche Rom zeigte sich von seiner festlichsten Seite. An den Mauern waren Öllampen angebracht und tauchten die Stadt in ein goldenes Licht. Diener trugen gutgekleideten Bürgern Fackeln voraus. Etwas außerhalb des Zentrums erreichten sie den Weingarten der Kurtisane, der von einer Mauer umschlossen wurde. Lilablütige Glyzinien wuchsen dort und Kapern, die an den Steinen emporkletterten. Auf einem Stück Wiese waren zierliche Stühle, Tische und Bänke aufgebaut. In der Mitte stand eine Laube mit sechs illuminierten Spitzbogen. Einige Frauen in prächtiger Kleidung saßen auf den Stühlen und plauderten mit Männern, andere spazierten zwischen den Rosen und Buchsbaumhecken umher, die einen herben Duft verströmten. Es wurden Stockfischcreme, Sardinen und weißes Brot serviert, später gab es gebratene Tauben und Artischocken, dazu einen leichten römischen Wein, den Angestellte aus einem großen Fass zapften. Eine große Frau mit honigfarbenem Teint und kostbaren Gewändern trat auf sie zu und begrüßte den Kardinal mit einem Kuss auf den Mund.
»Sebastiano, mein Lieber«, sagte sie. »Du hast Gäste mitgebracht.« Aufmerksam musterte sie Celina. »Hübsches Kind«, meinte sie, und an Andriana gewandt: »Schön, dich mal wieder zu sehen. Wie sind denn die Verhältnisse in Venedig? Bekommst du mehr als ein bis zwei Scudi pro Nacht?«
Andriana lächelte. »Die Verhältnisse sind dort ganz ähnlich wie hier«, sagte sie. »Nur muss man nicht so vieleSteuern zahlen, und ein Ghetto haben wir auch noch nicht für die Kurtisanen.«
»Ich lebe nicht im Ghetto«, gab Arcangela zurück. »Wer sich dort einsperren lässt, ist selber schuld.«
»Nun lasst uns von etwas anderem reden. Arcangela, führe uns doch einen Saltarello vor!«
Arcangela holte eine Gitarre aus der Laube und gab sie einem der jungen Männer in die Hand. Die Anwesenden umringten die beiden und klatschten erwartungsvoll in die Hände. Der junge Mann begann zu spielen, wobei er sich um seine Partnerin rasch und hüpfend drehte. Arcangela schlug das Tamburin und hob immer wieder in anmutiger Weise ihre Schürze. Sie tanzten und ihre Bewegungen wurden immer leidenschaftlicher. Lachend und erschöpft kehrten die Tänzer an ihre Plätze zurück. Das
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