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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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geworden. Jetzt ist sie tot. Wir gehen jeden Tag auf den Friedhof, um sie zu besuchen und sie um Verzeihung zu bitten.«
    »Habt Ihr irgendeinen Anhaltspunkt, was ihr zugestoßen sein könnte? War es ein Unglücksfall?«, fragte Christoph.
    »Arcangela war ein Mädchen mit sensiblem Gemüt«, antwortete Signor Botticelli. »Womöglich hat sie so sehr unter dem Leben im Kloster gelitten, dass sie sich etwas angetan hat.« Er holte ein leinenes Taschentuch aus der Tasche seines Rockes und schnäuzte sich.
    »War jemand von den Signori della Notte bei Euch?«, fragte Celina.
    »Nein, warum sollten sie zu uns kommen? Sie ermitteln nur, wenn es Hinweise auf ein Verbrechen gibt«, meinte Signora Botticelli. »Wer sollte denn unserem Kind etwas antun?«
    »Die beiden Todesfälle wurden vom Zehnerrat vertuscht«, warf Christoph ein.
    »Ich weiß nur«, ergriff Signor Botticelli wieder das Wort, »dass Arcangela bei unseren Besuchen immer verschlossener wurde, als würde sie ein schreckliches Geheimnis mit sich herumtragen.«
    Genau wie bei Nanna, ging es Celina durch den Kopf.
    »Ihr tragt keine Schuld am Schicksal Eurer Tochter«, beschwichtigte sie die Eltern. »Schaut, dass Ihr Euren anderen Kindern alles an Liebe zukommen lasst, deren Ihr fähig seid. Sie werden euch ein Trost sein.«
    Signora Botticelli ergriff ihre Hand. »Ich danke Euch für diese Worte und werde sie im Herzen behalten. Wir möchten Euch bei Eurer Suche nach der Wahrheit in unsere Gebete mit einschließen.«
    Als sie wieder auf der Straße standen, meinte Celina:
    »Eigentlich können wir mit diesen Hinweisen wenig anfangen. Es sind bedauernswerte Schicksale, aber wirklich weiterhelfen tut uns das nicht.«
    »Was haben denn die beiden Mädchen gemeinsam gehabt?«, fragte Christoph.
    »Sie waren empfindsam und taten immer das, was von ihnen verlangt wurde«, erwiderte Celina.
    Christoph sann nach.
    »Vielleicht ist das der einzige Anhaltspunkt, den wir haben. Wer tut denn immer das, was von ihm verlangt wird?«
    »Eine Nonne?«, erwiderte Celina.
    »Wer noch?«
    »Eine Hure.«
    »Möglicherweise haben sie sich eines Tages geweigert, anderen zu Willen zu sein.«
    »Aber deshalb müssen sie doch nicht ermordet werden«, hielt Celina dagegen.
    »Natürlich nicht. Was fällt dir als Beweggrund für die Taten ein?«
    Ihr kam ein Gedanke.
    »In Rom habe ich erzählen hören, dass Männer, deren Geliebte sich jemand anderem zugewandt hatten, das Gesicht mit einem Messer zerschneiden. Oder sie sogar umbringen. Es könnten doch Liebhaber der Nonnen gewesen sein, die sich an ihnen mit Gift gerächt haben.«
    »Dazu müssten wir Zutritt zum Kloster Convertite bekommen und die anderen Nonnen befragen. Das wird uns nicht gelingen«, wandte Christoph ein.
    »Ich weiß auch nicht, wie wir weiter vorgehen sollen«, antwortete Celina. Sie fühlte sich mit einem Mal sehr müde.
    »Ich glaube, wir sollten uns mal wieder ein wenig amüsieren«, sagte Christoph. »In ein paar Tagen ist das Sensa-Fest.«

25.
    Es war ein sonniger Tag Ende Mai, der Himmelfahrtstag. Christoph, Celina und Hans saßen auf einer Bank an der Piazzetta des Markusplatzes. Das Wasser der Lagune glitzerte, Möwen segelten durch die laue Luft, und die Inseln lagen verträumt im Dunst. Der Platz war bevölkert von Menschen verschiedenster Nationalitäten, denn das Sensa-Fest stand bevor mit einem riesigen Jahrmarkt, mit Bällen, Banketten, Straßenumzügen, Feuerwerken und erleuchteten »schwimmenden Bildern« auf den Kanälen. Celina sah die Arbeiter an der Prachtgaleere Bucintoro , die mit dem Dogen und seinem Gefolge aufs Meer hinausgeschleppt und bis zum Lido gefahren werden sollte. Dort warf der Herrscher alljährlich einen Ring ins Wasser als Zeichen der Vermählung der Stadt mit dem Meer, dem Tag, an dem die Piraten endgültig besiegt worden waren. Die Bucintoro war eine hundert Fuß lange zweistöckige, mit vergoldeten Skulpturen dekorierte Galeere. Auf dem Mast wehte das Banner der Republik, und das rote Samtdach trug Karyatiden über einem exquisit ausgeschmückten Thronraum.
    Ein Trommelwirbel ertönte. Celina wandte ihren Kopf zum Palast, aus dem der Doge Geramolo Priuli mit den führenden Adelsfamilien der Stadt heraustrat. Sie schritten würdevoll die Treppe hinunter. Priuli war mit dem Dogenhut und einem golddurchwirkten Gewand bekleidet. Die Galeere hatte zwei Decks: Das untere war für die Ruderer, das obere war von einem roten Baldachin bedeckt, unter dem sich ein mit Samt

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