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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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ist.«
    Es war dunkle Nacht, als Celina und Christoph zum Steg des Palazzo Gargana gelangten. Sie gaben dem Gondoliereseinen Lohn und stiegen auf den Steg. Drei Rosetten an der Fassade, jede in einer anderen Form, leuchteten im Licht der Kanalpfannen. Der Palast spiegelte sich rötlich im Canale Grande, in langen, zitternden Bahnen. Sie erreichten die schmiedeeiserne Pforte des Wasserportals und rüttelten daran.
    »Hier kommen wir nicht hinein«, sagte Celina. Ihre Stimme klang mutlos.
    »Ich hab’s«, sagte Christoph. »Wir müssen es durch eines der Fenster versuchen.«
    Sie gingen den schmalen, düsteren Gang um das Haus herum. Die unteren Fenster waren vergittert. Ein Spalierbirnbaum wuchs am Haus empor. Christoph schulterte seinen Beutel, kletterte hinauf und brachte es tatsächlich fertig, das Fenster darüber zu öffnen. Celina stieg ebenfalls hinauf. Sie befanden sich im ersten Piano Nobile, dem venezianischen Stockwerk. Von draußen fiel das schwache Licht eines Kohlebeckens herein, das am Nachbarhaus angebracht war. Im diffusen Licht erkannte Celina die vertrauten Gegenstände im Raum, die Truhen, Schränke, fein geschnitzten Tische und Stühle. Sie begannen alles zu durchsuchen. In den Truhen befanden sich alte Bücher und Schriftstücke, aber es war nichts dabei, was von Belang hätte sein können.
    »Der Ofen«, sagte Celina. »Er würde ein wunderbares Versteck abgeben.« Der Ofen hatte eine breite, von Ruß geschwärzte Öffnung und einen baldachinartigen Überbau, der mit Stuck und Gold verziert war. In diesem Moment hörte Celina von draußen ein Geräusch. Ihr Herz begann zu rasen.
    »Christoph, da ist jemand«, flüsterte sie. Kurz darauf drehte sich quietschend ein Schlüssel in der Tür des unteren Stockwerks. Voller Angst schaute Celina Christoph an. Er zog sie in Richtung des Kamins. Dort drängten sie sichin einer Höhlung aneinander. Es roch stark nach verkohltem Holz. Bald darauf näherten sich schwere Schritte von der Treppe her. Celina wurde es abwechselnd heiß und kalt. Ein Licht flammte auf. Die Schritte kamen näher und hielten direkt vor dem Kamin an. Celina sah zwei braune, blankgeputzte Kuhmaulschuhe und helle Beinlinge, darüber das Ende einer Schaube aus teurem Wollstoff. Eine Ewigkeit verging. Wahrscheinlich studierte der Besucher die Goldornamente. Wer konnte es sein? Wer, außer Eugenio und Faustina, hatte einen Schlüssel für den Palazzo? Endlich entfernten sich die Schritte wieder. Eine Weile tappten sie im oberen Stockwerk herum, dann kamen sie die Treppe herunter und verschwanden in Richtung Eingang. Das Licht verlosch.
    Zitternd kroch Celina aus dem Versteck heraus. Christoph folgte ihr und lauschte. Als die Tür ins Schloss gefallen war, klopften sie sich gegenseitig den Ruß von den Kleidern.
    »Bist du in Ordnung?«, flüsterte er.
    »Ich bin zu allem bereit«, gab sie ebenso leise zurück.
    »Wirklich zu allem?«
    »Christoph, du bist unmöglich!«
    Sie stiegen die Treppe zum zweiten Stock hinauf. Hier stand der Ofen mit den Majolikakacheln. Christoph fand eine Öllampe, die er mit Hilfe einer pulverbestaubten Lunte entzündete. Die Lampe tauchte den Raum in ein warmes Licht. Sie betrachteten den Ofen. Jede Kachel hatte ein anderes Ornament. Da gab es Heilige, Kreuze, Masken, einen Stierkopf, Blumen, Trauben und Kleingetier wie Schlangen und Krebse. An der Seite war eine Kachel mit einem geflügelten Löwen angebracht. Celina unterdrückte einen Ausruf der Überraschung.
    »Das ist derselbe Löwe, der den Opfern eingebrannt war!«
    Christoph strich über die glasierte Kachel und sah sich nach einem Gegenstand um. Auf dem Fenstersims stand ein rostiger Kerzenständer. Mit dessen Hilfe begann er die Löwenkachel zu lockern. Mörtel bröckelte und verstaubte ihnen die Augen. Die Kachel lockerte sich. Christoph fuhr mit der Hand in die Vertiefung und holte eine Pergamentrolle heraus. Er stellte die Lampe auf eine Truhe, rollte den Brief auf, und sie beugten sich gespannt über das Dokument.
    An Eugenio Gargana, achtbarer und wohlgeborener Bürger der Stadt Venedig , stand in Schnörkelschrift darauf.
    »Dubrovnik, July anno 1560.«
    Christoph hielt die Lampe näher an das Schriftstück.
    »Werter Signore Gargana«, las Celina.« Wenn Ihr dieses Schreiben erhaltet, sind Euer Bruder, Luigi Gargana, und dessen Ehefrau, Palladia Gargana, weit fort von dem Ort, den sie ihre Heimat nennen. Das Schiff, mit dem sie die Adria überquerten, wurde von Piraten geentert. Die

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