Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
Vom Netzwerk:
ausgekleideter Saal mit vielen Stühlen und Fenstern befand. Am Heck stand der goldverzierte Dogenthron, auf dem der Herrscher nun Platznahm. Neben ihm sah Celina eine Männergestalt in schwarzer Kleidung, deren Name ihr jedoch nicht einfiel. Das Schiff wurde von einem Dutzend Pferden und einer Unmenge von Sklaven zum Meer hinunter gezogen. Unter dem Jubel der Menge glitt es ins Wasser. Ihm folgte ein dichter und farbenprächtiger Zug von Booten, die mit Girlanden, Blüten und Zweigen geschmückt waren. Jedes Handwerk war mit seiner Zunft vertreten. Danach folgten die Boote der geringeren Stände, ebenfalls in vollem Schmuck. Während des Umzuges spielte die Kapelle der Marciana ein Madrigal.
    Nach der Rückkehr in die Stadt begann auf dem Markusplatz der größte aller venezianischen Jahrmärkte. Die neuesten Moden und Erzeugnisse wurden zur Schau und zum Verkauf gestellt, und wieder tanzten die Menschen kostümiert und maskiert in den Straßen. Celina, Christoph und Hans wurde das Treiben bald zu viel. Sie wiesen einen Gondoliere an, sie auf die Lagune hinaus zu rudern. Celina spürte die Strahlen der Sonne auf ihrem Körper, sah das grünblaue Wasser des Meeres, hörte die Schreie der Vögel und war sich der Gegenwart Christophs mit einem freudigen Schauer bewusst. Ihre Augen streiften immer wieder die seinen, und sie bemerkte, dass sich seine Pupillen verdunkelt hatten. Sie spürte, dass sie ihn liebte. Aber was für eine Art von Liebe mochte das sein?
    Vom Ufer her erhob sich ein Lärm, und die Leute liefen aufgeregt hin und her. Der Gondoliere bestand darauf, zurückzufahren. Bei ihrer Ankunft erfuhren sie, dass zwei weitere Mädchen tot in einem Kanal gefunden worden waren. Der Mörder sei auf frischer Tat ertappt worden, als er sie ins Wasser geworfen hatte. Man habe ihn ins Gefängnis im Dogenpalast gebracht; und morgen werde er öffentlich auf dem Markusplatz hingerichtet. Diese Schnelligkeit sei geboten, weil man ein Exempel statuieren wolle.
    Alle drei waren keine Anhänger solcher Veranstaltungen; da es jedoch um den Mädchenmörder ging, standen sie am folgenden Tag unter den Schaulustigen und versuchten einen Blick auf den Galgen zu erhaschen, der mitten auf dem großen Platz errichtet worden war. Hausfrauen mit Körben drängelten sich neben ihnen. Berittene Wachen sorgten dafür, dass nur die ersten Familien der Stadt einen Platz nahe dem Galgen erhielten. In Lumpen gekleidete Kinder huschten durch die Reihen der Wartenden, wurden jedoch durch die Wachen zurückgedrängt. Viele der Anwesenden waren maskiert, wie immer, wenn es etwas zu feiern gab; Celina glaubte für einen Moment, eine Totenmaske zu erkennen, doch diese Masken waren allgemein verbreitet, wie sie wusste. Dagegen war wieder diese Gestalt in schwarzer Mönchskleidung anwesend, und diesmal erinnerte sich Celina, wer es war: der Abt von Convertite. Er saß auf einem der Stühle, die für die Patrizier der Stadt auf ein Podest gestellt worden waren, und verfolgte aufmerksam das Geschehen auf dem Platz. Die Damen waren aufgeputzt wie immer bei solchen Gelegenheiten. Nicht nur die Adligen, auch Hausfrauen und Mägde hatten ihre schönsten Kleider angetan, trugen die Haare blond, wie es in Mode war, mit weißen und gelben Frisurteilen versehen. Gerüche nach Bergamotte, Myrrhe und Rosenöl wehten Celina entgegen. Spielleute, Trompeter und Trommler marschierten auf den Platz; das Volk wich zurück und machte eine Gasse frei. Ein Trommelwirbel ertönte, und die Mitglieder des Zehnerrates traten auf den Balkon des Palastes. Erneut ein Trommelwirbel. An der Seite des Scharfrichters, der eine rote Kapuze mit zwei Augenlöchern trug, schleppte sich der Delinquent. Zwei Richter, die ihn wohl in einem Schnellverfahren verurteilt hatten, folgten ihnen. Wenn der Mann auf dem Weg zur Richtstätte strauchelte, rissen ihn die Henkersknechte wieder hoch, was einen Jubel in der Menge auslöste.
    Als sie am Galgen angekommen waren, fragte der Henker die Richter: »Ist dieser Mann nach Recht und Gesetz der Stadt Venedig verurteilt worden?«
    »Er ist wegen eines Verbrechens des fünffachen Mordes zum Tod durch den Strang verurteilt«, lautete die Antwort. Ein Priester spendete dem Todgeweihten den letzten Segen und beschwor ihn zu bereuen. Die Knechte lehnten zwei Leitern an den Galgen. Der Henker nahm den Strick und forderte den Delinquenten auf, die andere Leiter hinaufzusteigen. Er gehorchte ohne Sträuben und ließ sich willenlos den Strick um den Hals

Weitere Kostenlose Bücher