Die Nonne und die Hure
haben, und seine Reliquien liegen in der Markuskirche. Sein Symbol ist der geflügelte Löwe, das Zeichen für die Metamorphose und die Auferstehung.«
»Was für ein Zeichen war den toten Mädchen eingebrannt?«, fragte Christoph.
»Ein Löwe, aber ohne Flügel.«
»Was könnte das bedeuten?«
»Dieser Löwe ist ein reines Machtsymbol. Jemand wollte zeigen, dass er Herr ist über Leben und Tod. Und dass er die ganze Stadt herausfordern kann, ohne dass ihm etwas passiert.«
Christoph legte den Finger an die Nase, wie immer, wenn er angestrengt nachdachte.
»Wir haben auf jeden Fall den Hinweis darauf, dass Lion alias Cornelli etwas mit den Toten zu tun hat. Nur Beweise haben wir nicht. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als weiter zu suchen.«
»Wir haben doch schon alles ausprobiert, entgegnete Celina. »Murare war meine letzte Hoffnung.«
»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, meinte Christoph und grinste. »Mir ist noch etwas eingefallen. Hans hat doch eine verwandtschaftliche Verbindung mit Immuti, dem Ratsmitglied. Den Mann müssen wir uns vorknöpfen. Und wenn er nicht reden will, müssen wir mit der Waffe des Gegners kämpfen.«
»Du meinst, wir müssten ihn bedrohen?«, fragte Celina erschrocken.
»Nein, wir müssten ihn bestechen.«
Pasquale Immuti, Mitglied des Zehnerrates, erwartete sie in einer Gastwirtschaft in Dorsoduro. Alle anderen Treffpunkte wären zu gefährlich gewesen. Er war mit der Grandezza der venezianischen Adligen gekleidet; sein flaches Barett umrandete ein hageres, gebräuntes Gesicht, während er die pelzkragenbesetzte Schaube lässig über eine Stuhllehne geworfen hatte. Celina, Hans und Christoph nahmen an dem runden Holztisch Platz. Eine junge, flinke Venezianerin mit einer gestärkten Haube stellte Krüge mit Wein auf den Tisch. Sie waren die einzigen Gäste in dem Lokal.
»Ihr seid also Pasquale Immuti, Mitglied des Rates der Zehn und von unserem Freund Hans sehr empfohlen«, begann Christoph vorsichtig das Gespräch.
»Ja, ich kenne Giovanni schon lange – wir sind verwandt, aber das wisst ihr ja«, antwortete Immuti. »Er sagte mir, es gehe um einige … äh … delikate Dinge.«
Ein halb verlegenes, halb spitzbübisches Lächeln kräuselte seine Lippen.
»Delikat würde ich sie nicht nennen«, sagte Christoph. »Wir würden gern etwas über eine Familienangelegenheit erfahren.«
»Ist Geld im Spiel?«, wollte Immuti wissen.
»Ja, und es könnte auch für Euch etwas dabei herausspringen.« Christoph schien sich zum Wortführer machen zu wollen, aber das war Celina recht, denn sie hätte mit ihrer direkten Art alles verderben können. Später würde sie ihren Mund schon noch aufmachen.
Über Immutis Gesicht glitt wieder ein Lächeln.
»Mit Speck fängt man Mäuse, heißt es doch, oder? Dann sagt mir, worum es geht.«
»Es geht um die Familie Gargana. Seit etwa einem Jahr ist sie Mitglied im Rat. Gehört sie zu den Patriziern der Stadt?«
»Im Rat kann Mitglied werden, wer zu den alteingesessenen Familien gehört, und dazu gehören sie. Bei ihnen gab es aber eine Besonderheit. Lasst mich nachdenken.«
Er schwieg eine Weile, nahm einen Schluck aus seinem Weinbecher.
»Sie sind auf irgendeine Weise zu Reichtum gekommen und haben sich den Sitz im Rat erkauft. Das heißt, Eugenio Gargana hat ihn sich erkauft.«
»War nicht von einer Erbschaft die Rede?«, fragte Christoph.
»Doch. Eugenios Bruder ist im letzten Sommer mit seiner Frau bei einem Sturm in der Adria ums Leben gekommen.«
Celina konnte nicht mehr an sich halten.
»Den Sturm gab es gar nicht, ich habe es von einem gehört, der genau Bescheid weiß! Das war erlogen.«
Immuti wandte sich ihr erstaunt zu.
»Allzu sehr wundert mich das nicht. Das Gebaren von Gargana und seiner Frau kam mir immer ein wenig seltsam vor. Auch dem Dogen gegenüber verhielten sie sich geradezuliebedienerisch, obwohl sie es nicht nötig hatten. Was war denn wirklich mit Euren Eltern?«
Celina wechselte einen schnellen Blick mit Christoph. Er nickte fast unmerklich, und sie sagte: »Wir haben in unserem Stadthaus, das sich Eugenio ebenfalls unter den Nagel gerissen hatte, einen Brief gefunden, der besagt, dass meine Eltern von Seeräubern entführt und an einen Sklavenhändler verkauft worden seien, der Lösegeld von meinem Onkel verlangt hat. Ach, vielleicht sind sie doch schon tot.« Eine Träne erschien in ihrem Augenwinkel.
»Dieser Hund«, sagte Immuti. »Ich werde Euch helfen mit allem, was in meinen Kräften steht. Und
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