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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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engste Verbindungen zum Zehnerrat und sogar zum Dogen haben.«
    »Das ist unser Todesurteil!«, rief Celina.
    »Hört es euch zu Ende an«, sagte Brinello unbeirrt.
    »Da sie ihre Geschäfte im Dunkeln betreiben, sieht es niemand, doch ist ihr Treiben deshalb nicht weniger zerstörerisch. Ihre wahre Gesinnung ist heuchlerisch, ihre Triebkraft die der Habsucht. Wir möchten, dass diesem verbrecherischen Treiben das Handwerk gelegt wird, und fordern einen öffentlichen Prozess gegen die Verantwortlichen: gegen Eugenio Gargana und seine Frau Faustina wegen Betruges und Erbschleicherei, gegen Alois Breitnagel wegen Verführung mindestens einer Nonne und gegen hohe Mitglieder der Kirche wegen Mordes.«
    »Das ist gut, wenn auch sehr scharf formuliert«, ließ sich Hans nach dem ersten Moment des Schreckens vernehmen. »Aber willst du nicht auch noch die drohenden Bücherverbrennungen erwähnen?«
    Brinello wiegte den Kopf mit den ergrauten Schläfen hin und her. »Ich habe es mir überlegt, aber ich fürchte, das einfache Volk würde es nicht verstehen.«
    »Wieso nicht? Viele können doch inzwischen lesen?«, warf Celina ein.
    »Du hast recht«, antwortete Brinello, »diejenigen, die nicht lesen können, lassen es sich von Freunden vorlesen. Das Übrige verbreitet sich von Mund zu Mund.«
    »Dann ist das Volk so aufgeklärt, dass es begreift, worum es geht. Nämlich um eben diese Freiheit, lesen zu dürfen, was es will«, meinte Christoph.
    »Also gut«, beschied Brinello. »Ich schreibe noch Folgendes hinein:
    Eure Freiheit, unser aller Freiheit ist bedroht, Bürger Venedigs. Unterstützt unsere Forderung nach einem Prozess! Was haltet ihr davon?«
    Brinello schaute fragend in die Runde.
    »Attempto!«, rief Christoph, »Wir sollten es wagen!«
    »Attempto!«, stimmten die anderen ein.
    »Dann fangen wir gleich an zu drucken und verteilen die Flugblätter noch heute Nacht. Die Zeit drängt«, sagte Brinello.
    »Verteilen?«, fragte Hans mit großen Augen. »An die Leute?«
    »Natürlich nicht«, entgegnete Brinello. »Wir legen sie an Plätzen ab, an denen sie gefunden werden. Und dabei darf sich keiner erwischen lassen, sonst ist alles aus.«
    Immuti war wieder gegangen. Celina schaute den Männern zu, wie sie die Presse zum Drucken vorbereiteten. Hans setzte die Lettern aus Zinn in die Matrize ein. Die Buchstaben wurden von Christoph gefärbt und in die Presse eingesetzt. Ein stechender Geruch nach Druckerschwärze verbreitete sich im Raum. Brinello legte Papier ein und bat Celina, die Blätter nach dem Drucken herauszunehmen, sie kurz an der Luft zu trocknen und anschließend zu stapeln. Die Männer begannen mit der Arbeit. Mit einem ziemlichen Lärm bedruckte die Presse das eingeschobene Papier. Wie Celina sehen konnte, war der Druck gestochenscharf. Tausend Exemplare ließ Brinello drucken, für jeden von ihnen zweihundertfünfzig zum Verteilen. Schließlich lagen die Flugblätter ordentlich auf vier Haufen geschichtet nebeneinander.
    »Geht in die Kammer nebenan und holt euch jeder einen Leinenbeutel«, sagte Brinello. »Du, Celina, solltest dich in San Marco nicht blicken lassen, du bist aus der Klosterzeit noch dort bekannt. Du gehst nach Cannaregio, du, Hans, nach Castello und Christoph nach Dorsoduro. Bleibt für mich der Bezirk San Marco.«
    Celina packte ihre Flugblätter in den Beutel und verabschiedete sich von den anderen. Christoph hielt ihre Hand länger und schaute sie liebevoll, aber auch mit einem Ausdruck von Angst und Sorge an. Ihr Herz pochte schneller, aber sie fühlte sich zuversichtlich.
    Das Haus des Verlegers befand sich im Stadtteil Cannaregio, am Rio di Ca’ Dolce. Celina brauchte also nur die Gassen zu durchlaufen. Sie querte eine Brücke des Kanals und wandte sich nach Westen. Die Dunkelheit brach rasch herein; ein kalter Wind war aufgekommen. Das Gewicht des Beutels lastete auf ihrer Schulter.
    Bald werde ich diese Last abgetragen haben, dachte sie, auch im übertragenen Sinne. Immer wenn sie sich unbeobachtet glaubte, legte sie eines der Blätter ab, auf der Stufe zu einer Kirche, in einer einsamen Gondel oder auf dem Treppenabsatz eines Hauses. Es gab nur wenig Beleuchtung in dieser Gegend, die von ärmeren Leuten bewohnt war. Doch je mehr sie vorankam, desto mehr änderte sich das Bild. Sauber gefegte fondamenta, Gehwege zu herrschaftlichen Villen, aus deren Gärten der Duft von exotischen Blumen drang, ersetzten die niedrigen Häuser der Fischer und Handwerker. Hier waren keine

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