Die Nonne und die Hure
zwar unentgeltlich, das ist für mich eine Frage der Ehre. Was wollt Ihr noch wissen?«
»Zu welchem Zeitpunkt sind die Bücherverbrennungen und für wann die Verhaftungen von Verlegern und Buchdruckern geplant?«
»Mein Gott, was habt Ihr denn damit zu schaffen?«, fragte Immuti.
»Wir sind Buchdrucker und arbeiten für einen Verleger«, entgegnete Hans.
»Es ist für Mitte Oktober geplant, betrifft aber nur die, welche reformatorisches Gedankengut verbreiten. Es ist vom Papst abgesegnet worden. Sie beziehen sich auf den Index Librorum Prohibitorum , die Liste der verbotenen Bücher.«
»Und warum ist mein Buch verboten worden?«, wollte Celina wissen. »Es enthält kein reformistisches Gedankengut.«
»Ach, geht es um die Frau, die man gegen ihren Willen in ein Kloster gesperrt hat? Es zieme sich nicht für eine Frau zu schreiben und schon gar nicht, es auch noch zu veröffentlichen, hieß es in der Begründung.«
»Aber Tullia d’Aragona hat doch auch …«
»Bei ihr war das etwas anderes«, sagte Immuti. »Sie war Kurtisane und hatte somit eine gewisse Machtstellung inne. Einflussreiche Männer gehörten zu ihren Freunden.«
So weit habe ich es nicht gebracht, dachte Celina.
»Abgesehen davon«, fuhr Immuti fort, »hat sie sich nicht lange in Venedig aufgehalten. Sie war hier mit dem Vater Torquato Tassos, Bernardo, befreundet. Und auch sie bekam Auflagen; ihr wurde angetragen, den gelben Schleier zum Zeichen ihres Status als Prostituierte zu tragen, was die Gräfin Eleonora, Gattin von Cosimo I. Medici, zu verhindern wusste.«
»Über ihr Leben weiß ich nicht viel«, sagte Celina. »Ich habe aber ihren ›Dialog über die Unendlichkeit der Liebe‹ gelesen. Noch einmal«, beharrte sie, »warum wurde sie nicht auf den Index gesetzt, dafür aber mein Roman?«
»Vielleicht hast du über etwas geschrieben, das nicht ans Tageslicht kommen sollte?«, fragte Hans. Er grinste und zeigte dabei seine weißen Zähne.
»Was könnte das gewesen sein?«, fragte Immuti.
Die kleine Venezianerin mit der gestärkten Haube kam an ihren Tisch und fragte, was sie zu essen wünschten.
»Wie wäre es mit Pfefferfleisch für alle?«, fragte Immuti und blickte in die Runde. »Und noch einmal von dem ausgezeichneten Wein.«
Die Venezianerin entfernte sich.
Celina senkte ihre Stimme. »Ich habe darin über die unzüchtigen Praktiken in den Klöstern berichtet, auch über das, was während der Ohrenbeichte geschehen kann. Aber ich habe es nicht direkt geschildert, sondern in eher satirischer Form.«
»Da sind die Herren meist noch empfindlicher«, antwortete Immuti. »Kein Wunder, wenn sie das Buch verboten haben. Da könnte sich ja der eine oder andere wiedererkennen.«
Er lachte, und alle stimmten ein. Inzwischen hatte sich der eine und der andere Gast eingefunden. Es wurde lauter, je mehr die Gäste dem Wein zusprachen. Christoph beugte sich nahe zu Immuti hinüber und sagte leise, so dass Celina es kaum verstand: »Was für eine Rolle spielt der Abt Cornelli vom Kloster Convertite?«
»Er ist bekannt als gottesfürchtiger Mann, der die Gesetze des heiligen Benedikts besonders streng einhält. Unser Doge Priuli hält große Stücke auf ihn; die beiden sind eng befreundet.«
Dann habe ich das damals doch richtig gesehen, dachte Celina.
»Sind Euch nie Bedenken gekommen, nachdem klar war, dass die toten Nonnen alle aus dem Kloster Convertite stammten?«, fragte sie und bemühte sich, nicht zu laut zu sprechen, so aufgeregt war sie.
»Mir war zwar bekannt, dass es da etwas mit toten Nonnen gab, aber es wurde ein Mantel des Schweigens darüber gebreitet. Ich vergaß es auch bald wieder, weil es wichtige Entscheidungen zu treffen gab.«
»Zum Beispiel die Bücherverbote«, sagte Celina spitz, wurde aber gleich darauf rot, denn sie wollte Immuti, der ihnen ihre Hilfe angeboten hatte, nicht bloßstellen.
»Ich habe dagegen gestimmt, aber was gilt schon die Stimme eines Einzelnen?«, erwiderte Immuti.
Celina beschloss, ihm voll und ganz zu vertrauen. Wer aus dem Zehnerrat hätte ihnen sonst so bereitwillig Auskunft gegeben?
Die Venezianerin brachte das Pfefferfleisch, dazu dunkles Brot. Obwohl Celina aufs Äußerste gespannt darauf war, was Immuti zu berichten hatte, brach sie ein Stück Brot ab und tunkte es in die Schüssel. Alle langten zu. Eine Zeit lang aßen sie schweigend.
»Die reformatorische Bewegung hat den Buchdrucktiefgreifend verändert«, sagte Immuti zwischen zwei Bissen, »sowohl in seinem Umfang
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