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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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vorzulesen. Das kenne ich doch, dachte Celina. Sie ertrugden Anblick des Mönches nicht mehr und ging hinaus zum Brunnen im Kreuzgang. Christoph folgte ihr wenig später.
    »Mea culpa, mea maxima culpa!«, zischte Celina. »Ich kann es nicht mehr hören! Diese Nonnen tragen nicht die geringste Schuld an dem, was sie beichten. Man hat sie ihrer Freiheit beraubt, ihrer Habe!«
    »Und ihre Gefühle brechen wieder durch, je länger sie eingesperrt sind«, vollendete Christoph ihren Gedanken. »So wurden und werden Nonnen zu Huren.«
    »Ich habe auch schon unkeusche Gedanken gehabt«, sagte Celina wie zu sich selbst. Gleich darauf wurde sie verlegen, als sie Christophs Grinsen bemerkte. Die Nonnen sangen noch ein Lied und zogen sich zurück. Der Pförtner kam, um Celina und Christoph abzuholen.
    »Der Abt ist jetzt bereit, Euch zu empfangen«, sagte er. Über eine Treppe gelangten sie zum Zimmer des Abtes. Er saß auf seinem Stuhl aus Kirschholz und blätterte in einer alten, schön gebundenen Ausgabe der Bibel. Wieder verzog sich beim Anblick von Christoph sein Gesicht. Seine Hand mit dem Ring, die er ihnen zum Kuss entgegenstreckte, war nicht nur weich und schwammig, sondern glänzte vor Schweiß.
    »Kommt herein und setzt Euch«, sagte er mit seiner leicht näselnden Stimme. Celina und Christoph hauchten Küsse auf den Ring und nahmen Platz.
    »Wer hat Euch erlaubt, mein Kloster zu betreten?«, fragte der Abt mit hochgezogenen Augenbrauen. Wieder fühlte Celina sich von ihm besonders eindringlich gemustert.
    »Wir wollten Euch noch einmal zu den Todesfällen befragen, die sich in letzter Zeit in der Stadt ereignet haben«, begann Christoph. »Wieder ist eine Nonne Eures Klosters zu Tode gekommen. Warum trifft es eigentlich immer Frauen aus Eurem Hause?«
    Die Augen des Abtes verengten sich.
    »Es könnten genauso gut Nonnen aus anderen Klöstern sein«, sagte er in grimmigem Ton.
    »Es waren aber sämtlich Nonnen aus Eurem Kloster«, beharrte Christoph.
    »Und die Nonnen Eures Klosters, warum werden die gegeißelt?«, fragte Celina.
    Der Abt erstarrte mitten in seiner Bewegung.
    »Es sind die Regeln des heiligen Benedikt, nach denen wir uns richten. Als Bettelorden sind wir auch mit anderen nicht zu vergleichen. Wir haben nicht nur das Keuschheits-, sondern auch ein besonders strenges Armutsgelübde abgelegt. Wenn jemand gegen die Regeln verstößt, wenn er sich der Völlerei hingibt, der Gier nach Besitz, der fleischlichen Lust, dann befehlen uns unsere Regeln, denjenigen zu bestrafen.«
    Die Miene des Abtes wurde steinhart.
    »Wenn Ihr nicht schnell von hier verschwindet, lasse ich Euch auspeitschen und einkerkern«, zischte er. »Ihr seid hier widerrechtlich eingedrungen, habt Euch als Gesandte des Zehnerrates ausgegeben, angeblich, um nach dem Rechten zu sehen. Hier herrscht das Regiment der Kirche! Zusammen mit dem Zehnerrat und dem Dogen wache ich über die Keuschheit in den Klöstern.«
    Er zog an einer Klingelschnur. Kurze Zeit später erschien der Mönch, der beim Geißeln der Nonnen geholfen hatte.
    »Schafft sie hinaus!«, blaffte der Abt.
    Der Mönch ergriff Celina und Christoph grob an den Armen. Ein kurzer Blick auf seinen sehnigen Arm zeigte Celina einen eingebrannten Löwen.
    »Wir gehen schon selbst«, sagte Christoph und schüttelte die Hand des Mönches ab. »Habt Ihr etwas mit den Bücherverboten zu tun, wenn Ihr mit dem Dogen so sehrauf gutem Fuß steht?«, rief er dem Abt über die Schulter zu.
    »Hinaus!«, brüllte der Abt. Sein Gesicht war verzerrt und puterrot.
    »Nun, was meinst du?«, fragte Celina, nachdem sie das Kloster verlassen hatten. Es war inzwischen Mittag geworden; die Sonne wärmte schon recht ordentlich, und aus dem Konvent klang das Mittagsläuten für die Bruderschaft. Christoph legte den Finger an die Nase und schaute Celina aus seinen graublauen Augen an.
    »Der Kardinal in Rom hat uns doch die Adresse des Abtes Murare gegeben. Ich glaube, es wird höchste Zeit, ihn aufzusuchen!«

27.
    Torcello, die Insel, auf der das Kloster des Abtes Murare stand, gehörte zu den am weitesten entfernten Inselgruppen in der Lagune. Celina und Christoph brauchten einige Zeit und Überredungskünste, um einen Fischer aufzutreiben, der sie hinüberbrachte. Auf der Piazza San Marco wurden sie fündig. Das Meer war in ein goldenes Licht getaucht; da, wo die Sandbänke höher lagen, hatte das Wasser eine schmutzigbraune Farbe angenommen. Sie sprachen nicht viel während der Überfahrt. Der flache

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