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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Ergebnis, dass alles umsonst war. Lohnte es sich überhaupt, sich gegen das Schicksal aufzulehnen?
    Celina schlief ein und schreckte wieder auf, als sie ein Geräusch hörte. Sie versuchte das Zwielicht mit ihren Augen zu durchdringen, lauschte mit aller Anstrengung, doch es blieb still. Es wird eine Ratte gewesen sein, dachte sie. Eine weitere Ewigkeit verging. Sie wusste nicht, ob sie wachte oder schlief, träumte oder die Wirklichkeit erlebte. So muss es sein, verrückt zu werden, so wie diese Unseligen, die sie manchmal aus einem Haus schauen oder in Begleitung eines Verwandten in einer versteckten Gasse gesehen hatte, schamhaft verborgen vor der Außenwelt. Die Tür öffnete sich abermals. Ein Mann tauchte im Schein einer Fackel auf, die er bei sich trug. Er war groß, stämmig, dunkelhaarig, mit behaarten Händen. Der Mann blieb stehen und betrachtete sie.
    Ich kann es nicht glauben, dachte sie. Es ist der Abt Cornelli aus Convertite, nein, in Wirklichkeit heißt er ja Lion, der Löwe. Und er hat doch die Predigt an jenem Abend gehalten, Nanna hatte gelogen. Celina wich gegen die Wand ihres Kerkers zurück.
    »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, Kleine«, sagte der Abt mit näselnder Stimme. »Und du hast sicher gemerkt, dass ich ein Auge auf dich geworfen habe, als ich dich das erste Mal sah.«
    »Hinaus mit Euch!«, schrie Celina in höchster Angst. Was hatte er mit ihr vor? Wollte er sie dem Inquisitor ausliefern? Alles wäre ihr lieber gewesen, als allein mit diesem Mann in einem Raum zu sein. Eine schreckliche Angst kroch aus ihrem Magen herauf, ihr wurde übel.
    »Du wirst mich schon noch mögen, Kleine«, sagte der Abt. »Ich werde dich an einen Ort bringen lassen, an dem du nicht nur mir zur Verfügung stehen wirst, sondern auch keinen Schaden mehr anrichten kannst. Viel zu viel hast du in den letzten Monaten in Sachen herumgeschnüffelt, die dich nichts angehen.«
    Wo waren ihre Freunde? Konnte sie es wagen, ihn danach zu fragen? Als hätte er ihre Gedanken erraten, fuhr der Abt fort: »Deine Spießgesellen sind in Gewahrsam, falls es dich interessiert.«
    »Hat man sie …«
    »Man hat sie beim Verteilen dieser Flugschriften erwischt, genauso, wie ich dich erwischt habe. Aber du bist mir zu schade für das Gericht und für das Feuer. Für dich habe ich mir etwas anderes ausgedacht.«
    Wenn doch dieser Albtraum ein Ende nehmen würde! Stattdessen klopfte es an der Tür, und zwei der Wächter erschienen im Rahmen.
    »Waltet Eures Amtes«, sagte der Abt und wandte sich zum Gehen.
    Die beiden Schergen machten ein paar Schritte auf Celina zu. Sie schlug um sich, versuchte wegzulaufen, aber sie wurde von beiden Seiten an den Armen festgehalten und hinausgeführt. Wieder ging es treppauf, treppab durch den Palast. Es waren keine Menschen anwesend. Schließlichwurde sie auf einen Stuhl gesetzt und allein gelassen, wie sie es den sich entfernenden Schritten entnahm. Mit einem raschen Blick erfasste sie die Einrichtung des Zimmers. Es musste ein abseits gelegener Raum im Dogenpalast sein, denn er war reichlich ausgestattet und verziert. An den Wänden hingen wertvolle Teppiche, und ein Bett mit einem Baldachin aus rotem Brokat stand an der Wand. In der Mitte des Zimmers befand sich ein zierlicher Tisch mit zwei Stühlen. Eine Schranktruhe war an die Wand gelehnt, auch sie schön verziert und vergoldet.
    Mit wenigen Schritten war Celina an der Tür und rüttelte daran. Zugeschlossen! Das hätte sie sich denken können. Es sollte wohl ein goldener Käfig sein, in dem sie von nun an leben würde, fern von ihren Freunden, ohne Aussicht auf Befreiung. Wie ein gehetztes Tier blickte sie sich um. Über dem Bett befand sich ein kleines Fenster, das durch schmiedeeiserne Gitter verschlossen war. Sie stieg auf das Bett und stellte sich auf die Zehenspitzen. Nur der nachtdunkle Himmel war zu erkennen, mit einzelnen Sternen und einem halbrunden Mond. Kühle Luft strömte ihr entgegen. Mit einem Gefühl, das nun alles verloren sei, stieg sie langsam herunter und setzte sich auf das Bett. Immer wieder schreckte sie zusammen, wenn sie ein Geräusch hörte. Aber es ließ sich niemand sehen. Ab und zu hörte sie, ganz fern, einen heiseren Schrei. Ob es von einem der Gefangenen kam, ob von ihren Freunden? Was würde sie hier erwarten? Angst und Ekel brachen aus ihr heraus. Es gibt keine Liebe, dachte Celina, es gibt nur tierische Wollust, und keiner würde sie forthin davor bewahren.

3. Teil

Anfang Oktober bis Ende

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