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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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legte sich über die Welten. Die andere Dunkelheit, die böse Dunkelheit. Die Blumen schlossen ihre Kelche, die Wesen des Tages verkrochen sich in ihren Höhlen, und das Leben verstummte. In diese Finsternis hinein aber gebar Angrboda, die Alte vom Eisenwald, drei Geschöpfe: Fenrir, einen Dämon in der Gestalt eines riesigen schwarzen Wolfes, Jörmungand, eine gewaltige Schlange, deren Gift alles verpestet, und schließlich Hel, Angrobodas liebste Tochter. Halb schwarz, halb weiß, halb jung, halb alt. Halb lebend, halb vergangen. Hel, die Todbringerin.
    Nachdem der Zwerg Brokk mit Loki gesprochen hatte, eilte er zu seinem Bruder Sindri, um ihm von der Wette zu erzählen.
    Loki blieb nachdenklich zurück. War er vielleicht doch etwas vorschnell gewesen? Mit den besten Schmieden in allen Welten um seinen Kopf zu wetten, das war leichtsinnig gewesen. Nach kurzem Überlegen verwandelte er sich in eine Mücke und folgte Brokk in einen dunklen Seitenstollen, der zur Schmiedehöhle der beiden Zwergenbrüder führte.

    Tatsächlich stand Sindri, ein kleiner rothaariger Wicht, bereits vor der Esse und wendete ein Stück Schweinshaut darin. Sein Bruder, der schielende, warzige Brokk, bediente den Blasebalg und entfachte damit eine solche Glut, dass die Schmiedestube aussah wie das Innere eines Vulkans.
    Loki handelte sofort. In seiner Mückengestalt schwirrte er zu Brokk hinüber und stach ihn so oft und heftig, dass der Zwerg vor Schmerz aufheulte. Dennoch ließ er den Blasebalg erst los, als der rote Sindri das erste Meisterstück aus dem Feuer nahm: einen Eber mit goldenen Borsten.
    »Ich nenne ihn Gullinborsti. Er kann schneller als jedes Pferd über Luft und Meer laufen, und seine strahlenden Borsten erhellen die tiefste Finsternis.«
    Loki stöhnte entsetzt auf.
    »Häää?« Sindri hob den Kopf. »Bist du müde geworden, Bruder?«
    Aber Brokk stand stark und hässlich wie immer an seinem Platz neben dem Blasebalg.
    Kaum war das erste Stück fertig, legte Sindri einen Klumpen Gold in die Esse.
    »Du musst unbedingt immer weiter blasen, Brokk«, rief er seinem Bruder zu, »die Hitze darf keinen Moment abnehmen.«
    »Auf mich kannst du dich verlassen, Roter, ich wünschte nur, ich könnte diese Mücke hier erschlagen.«
    Damit schnappte Brokk mit einer Hand nach Loki, mit der anderen aber blies er ununterbrochen Luft in die Glut. Loki fluchte.
    »Hast du etwas gesagt, Warzennase?«
    Sindri blickte von seiner Arbeit auf.
    »Nein«, antwortete Brokk, »ich dachte, du hättest mir etwas zugeflüstert.«
    Gerade wollte Loki ein weiteres Mal zustechen, da nahm Sindri das zweite Schmiedestück aus der Glut, und Loki hätte sich vor Schreck beinahe in seine alte Gestalt zurückverwandelt. Mit seiner Zange hielt Sindri einen wunderschönen goldenen Ring in die Höhe.
    »Schau nur her, Bruder, was wir geschaffen haben: Dies ist der Ring Draupnir, der Tröpfler. Jede neunte Nacht tropfen acht weitere schwere Goldringe von ihm herab. Seinem Besitzer schenkt er unermesslichen Reichtum.«
    Brokk nickte seinem Bruder anerkennend zu. »Allein mit diesem Schatz hat der hochmütige Loki seinen Kopf verwirkt.«
    Ungeschickt und grob begannen beide Zwerge einen Freudentanz aufzuführen. Sie hüpften und polterten durch die Schmiede und grölten ein derbes Lied dazu, dass Loki sich in eine Felsspalte zurückziehen musste, um sich nicht zu verraten.
    »Jetzt kommt das letzte Stück«, sagte Sindri, als er atemlos wieder vor der Esse stand. »Ich schmiede eine Wunderwaffe, wie die Götter noch keine gesehen haben, einen Wurfhammer, der immer in die Hand des Werfers zurückkehrt. Mjöllnir ist sein Name, und er ist die gefährlichste aller Waffen, denn er hat einen eigenen Willen, der sich nur seinem Herrn beugt.«
    »Wenn die Götter das sehen«, antwortete Brokk, »dannist Lokis Kopf nicht mehr viel wert. Lass uns weitermachen, Bruder.«
    Und sofort riss und zog der warzige Brokk wieder an seinem Blasebalg, und das Feuer in der Esse loderte hell auf. Diesmal aber legte Sindri ein Stück Eisen in die Glut.
    »Bei diesem Stück ist es besonders wichtig, dass du gleichmäßig bläst. Wenn der Luftstrom auch nur einen Moment abbricht, ist alles verdorben.«
    Brokk aber winkte nur ab und ging an die Arbeit.
    Vielleicht wäre er nicht so unbesorgt gewesen, wenn er die lächelnde Mücke gesehen hätte, die langsam aus ihrer Felsspalte kroch.
    Das leise Surren kam immer näher, Brokk suchte den Raum mit den Augen ab, aber da seine Augen in

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