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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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ebenso viele Hallen wie Odins Burg. Da wagst du es, dem rechtmäßigen Sohn des Göttervaters etwas abzusprechen?« Frigg war von ihrem Stuhl aufgesprungen und starrte Thor über den breiten Ratstisch hinweg zornig an.
    Thor starrte ebenso zornig zurück. »Rechtmäßig. Odin hat auch meine Mutter geschätzt, und sein erstgeborener Sohn bin immer noch ich. Das scheinst du leider zu vergessen.«
    »Ich bitte euch, Thor, Mutter, streitet doch nicht wegen mir«, sagte Balder und lächelte sanft in die Runde der Götter.
    Und wie so oft beruhigten Schönheit und Güte des Lichtgottes die hitzigen Gemüter.
    »Ich ziehe mich in den friedlichsten und ruhigsten Teil Asgards zurück, Thor. Dorthin, wo ich deinem Kampfwagen sicherlich nicht im Weg sein werde. Und dass ich mein Haus Breidablick – Breitenglanz – nennen will, kommt nur daher, dass es licht und hell sein soll«, fuhr Balder fort, »ein Ort, den das Böse und Hässlicheniemals betreten kann. Ihr seht also, es geht nicht um Prunksucht, wenn ich darum bitte, mir ein neues Heim erbauen zu dürfen.«
    Odin nickte Balder wohlwollend zu, schlug mit der Faust auf den Tisch und rief: »Götter, wer dafür ist, dass Balder das Haus Breidablick baut, der hebe jetzt die Hand.«
    Aber noch bevor überhaupt jemand eine Hand rühren konnte, schlug er noch einmal auf die Tischplatte.
    »Einstimmig angenommen. Balder, mein Sohn, Breidablick soll hell und licht werden, so wie du es dir wünschst. Und der Frevel möge niemals deine Schwelle übertreten. – Über was müssen wir sonst noch beraten, Götter?«
    Odin griff nach seinem gewaltigen Trinkhorn und leerte es in einem Zug.
    »Ich habe noch ein Anliegen, Vater.«
    Balder stand auf, und plötzlich war es, als ob ein gleißendes Licht durch das dichte Blätterdach brechen und die Ratsversammlung erhellen würde. Ein überirdischer Glanz lag auf dem jungen Gott, als er weitersprach.
    »Der Zwerg Dellingr hat zusammen mit der Riesin Nott einen Sohn bekommen, Dagr ist sein Name. Er ist ein besonders schöner und kluger Junge, und sein Vater lässt dich fragen, ob du nicht eine würdige Aufgabe für ihn hast?«
    »Hm.« Odin lehnte sich zurück und strich über seinen langen Bart. »Ich habe in der Tat eine Aufgabe für Dagr, auf die sein Vater stolz sein wird. Sage dem Jungen, dass er künftig das Licht über die Welten bringen wird. Ich schenke ihm den Hengst Skinfaxi, die Leuchtmähne.Auf ihm soll er über den Himmel reiten, und wo er erscheint, wird es hell. Und alles, was lebt, wird sich freuen und ausrufen: ›Da kommt Dagr, der Tag.‹«
    Als Balder das hörte, lächelte er, und die anderen Götter, lächelten mit. Nur Thor, machte ein böses Gesicht.
    »Ausgezeichnete Idee. Nur wird es dann nie mehr dunkel werden, wenn Dagr Skinfaxi ständig über den Himmel jagt.«
    »Thor, es wird Zeit, dass du deinen Donnerhammer einpackst und woanders weiterpolterst.« Ärgerlich schleuderte Odin sein Trinkhorn nach Thor. »Dann setzen wir eben Dagrs Mutter Nott auch an den Himmel. Während sie auf dem Hengst Hrimfaxi, der Taumähne, reitet, kann sich Skinfaxi ausruhen. Und wer die Riesin Nott erblickt, wird sagen: ›Seht her, da kommt die Nacht auf ihrem Pferd, und der Schaum aus seinem Maul fällt zur Erde als Tau.‹«
    Die Götter beglückwünschten Odin zu diesem ausgezeichneten Einfall, aber Thor wollte sich nicht zufriedengeben. Er rückte seinen Kraftgürtel zurecht und lehnte sich über den Tisch zu seinem Vater.
    »Odin, entschuldige, aber Skinfaxis Mähne wird wohl kaum ausreichen, um ganz Midgard und den Himmel zu erleuchten.«
    »Wenn’s weiter nichts ist«, sagte Odin und stand auf, um die Ratssitzung zu beenden. »Dann setzen wir eben noch die schöne Tochter des Mundilfari an den Himmel. Ihr Name ist Sol, die Sonne. Dagr kann sie ja auch in einem Wagen über den Himmel ziehen. Ihr Bruder Mani,der Mond, soll gleich mitkommen, der kann bei Nott mitfahren.«
    Thor musste einsehen, dass es nun nichts mehr zu erwidern gab, und neigte den Kopf vor seinem Vater. Odin aber nickte ihm lediglich kurz zu.
    »Götter, wir treffen uns morgen wieder, hier in Yggdrasils Schatten«, sagte Odin. Er beugte sich etwas nach vorn, verwandelte sich in einen Adler und flog davon.
    Seit dieser Ratssitzung leuchteten Sonne und Mond über den Welten und unterschieden die Zeit des Wachens und der Ruhe.
    Odin aber eilte zurück in seine Burg Gladsheim und wartete ungeduldig auf die Rückkehr seiner beiden Raben. Er wartete die ganze

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