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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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Geschlecht. Es wäre an uns gewesen, die Einladung auszusprechen. Entschuldige bitte.«
    Odin hielt mitten in der Bewegung inne. »Das ältere Geschlecht? Was soll das denn heißen?«
    »Oh, ich wollte dich nicht kränken. Habe ich etwas Falsches gesagt?« Njörd legte eine seiner schmalen, kühlen Hände auf Odins Arm, doch der schüttelte sie ab undschlug mit beiden Handflächen auf die Tischplatte, dass es knallte.
    »Die Asen sind das älteste Geschlecht. Ich bin der Älteste. Ich habe alles erschaffen. Du nimmst das sofort zurück.«
    Der Meeresgott blickte Hilfe suchend zu Frigg und hob die Hände. »Wir sind so alt wie die Elemente. Am Anfang waren Feuer und Eis. Aber, Odin, lass uns doch nicht streiten! Asen und Vanen sind sich ebenbürtig, es ist an der Zeit, dass wir Freunde werden.«
    Aber Odin war schon aufgesprungen. »Raus aus meinem Haus. Es gibt nichts und niemanden, der den Asen ebenbürtig ist. Geht, bevor ich euch auslösche.«
    Einen Moment lang lag eine merkwürdige Stille über Walhall. Keiner der anderen Götter wollte die neue Freundschaft mit den Vanen so schnell wieder aufgeben, und doch wagte auch niemand, sich Odin zu widersetzen. Njörd war der Erste, der reagierte. Langsam erhob er sich und bedeutete seiner Familie schweigend, ihm zu folgen. Bevor sie Walhall verließen, wendete er sich noch einmal zu den Asen um und nickte leicht. Odin aber würdigte er keines Blickes.
    Von nun an lebten die beiden Geschlechter wieder nebeneinander wie Fremde, doch man erzählt sich, dass Vanen und Asengötter, wenn sie sich zufällig trafen, einander heimlich zulächelten.
    Es dauerte lange, bis Odin sich von dem Vorfall mit den Vanen erholt hatte. Immer wieder rief er den anderen Asen Details aus der Schöpfungsgeschichte in Erinnerung und bezichtigte die Vanen der Lüge. Und jedesMal wenn er auf Njörd zu sprechen kam, wurde er so wütend, dass die Asen sich untereinander darauf einigten, die Existenz der Vanen einfach zu leugnen. Niemand sprach mehr über Vanaheim, über die charmante Freyja oder die anderen Götter, und mit der Zeit schien auch Odin den Abend in Walhall vergessen zu haben.
    Jedenfalls besserte sich seine Laune so weit, dass die Asen es wieder wagten, ihn in persönlichen Angelegenheiten um Rat zu fragen. Und tatsächlich, Odin antwortete milde und freundlich, zauberte in den drei Welten zum Wohle aller Geschöpfe, und wenn Menschen ihn um Beistand in der Schlacht baten, schenkte Odin ihnen glänzende Siege.
    Noch immer aber gab es Dinge zwischen Asgard und Niflheim, die Odin verborgen blieben. Und so kam es, dass er oft an die Worte des Riesen Mimir dachte und sich fragte, was er tun müsse, um vollkommene Weisheit zu erlangen.
    Eines Tages erschien ein junger Mann in Asgard. Er war groß und schön, und seine gesamte Erscheinung wies darauf hin, dass er göttlicher Herkunft war. Jedenfalls zweifelte Odin keinen Augenblick daran und nahm den Fremden herzlich auf.
    »Ein weiterer junger Gott in Asgard. Welch wunderbare Nachkommenschaft ich doch hervorgebracht habe. Wer ist deine Mutter? Denn dass ich dein Vater bin, scheint mir außer Frage zu stehen.«
    Der Jüngling verneigte sich lächelnd und antwortete: »Du stellst mich auf die Probe, Göttervater. Was könnteich dir schon sagen, was du nicht bereits wüsstest. So belasse ich es bei meinem Namen. Man nennt mich Loki.«
    Odin betrachtete den jungen Mann wohlgefällig, nickte und sagte: »Du scheinst nicht nur die Schönheit, sondern auch die Klugheit der Götter zu besitzen. Sei mir in Asgard willkommen, Loki. Von nun an sollst du über das Feuer herrschen.«
    Die anderen Götter wunderten sich über Odins Verhalten. Bislang waren alle Asen in den Kreis der Götter hineingeboren worden, noch nie war ein Fremder zum Gott erhöht worden. Aber da die Götter längst nicht mehr nur untereinander heirateten, sondern sich, wie Odin, immer öfter auch mit Riesen, Zwergen oder Naturgeistern verbanden, fragten sie nicht weiter nach Lokis Herkunft. Jeder hätte Lokis Vater oder Mutter sein können, und so nahmen sie ihn als einen der ihren auf und schlossen ihn schnell ins Herz.
    Es fiel leicht, ihn zu mögen, denn Loki zeigte eine Vielzahl außergewöhnlicher Begabungen. Er war charmant, witzig, wortgewandt und bald sehr beliebt. Ohne Schwierigkeiten konnte er seine Gestalt wechseln, ein Talent, das nur die wenigsten Asen besaßen und das Loki außer dem Göttervater niemandem offenbarte und bescheiden für sich behielt. All das trug

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